Wetterau: Traumatisiert durch Ehrenmord? - Psychiatrische Begutachtung beantragt
Welche Rolle spielen ein so genannter Ehrenmord und eine möglicherweise darauf folgende Traumatisierung eines heute 33-Jährigen, der im Juni 2020 von vier Cousins bzw. Verwandten zusammengeschlagen wurde, für seine Darstellung des Tatverlaufs?
Wetteraukreis (doe). Welche Rolle spielen ein so genannter Ehrenmord, der sich 2015 in Darmstadt zutrug, und eine möglicherweise darauf folgende Traumatisierung eines heute 33-Jährigen, der im Juni 2020 von vier Cousins bzw. Verwandten zusammengeschlagen wurde, für seine Darstellung des Tatverlaufs? Diese Frage rückten die Verteidiger der vier wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Raub angeklagten Männer im Alter von 25 bis 28 Jahren am zweiten Tag der Verhandlung vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Friedberg unter Vorsitz von Richter Dr. Markus Bange in den Mittelpunkt. Sie beantragten die psychiatrische Begutachtung des 33-Jährigen.
Ende Januar 2015 kam es in Darmstadt zu einer schrecklichen Tat. Eine 19-jährige Deutsche pakistanischer Abstammung, verliebt in einen 25-jährigen Landsmann, wurde von ihren eigenen Eltern in der gemeinsamen Wohnung erwürgt und danach in einem Waldstück abgelegt. Motiv: Die Eltern waren mit der Beziehung ihrer Tochter nicht einverstanden und zudem erzürnt darüber, dass diese sich der elterlichen Autorität nicht beugen wollte. Wenige Monate nach der Tat verurteilte das Landgericht Darmstadt beide Eltern zu lebenslanger Haft.
Wetterau: Keine Spuren vom Baseballschläger
Dem heute 33-jährigen Freund der Getöteten wurde nach der Tat gedroht, unter anderem durch einen Brief, der aktenkundig wurde. Nach dem Motiv für den Überfall durch vier Cousins und Verwandte im Juni 2020 befragt, gab er bereits bei seiner Vernehmung durch einen Polizisten unmittelbar nach der Tat einen Zusammenhang mit dem Ehrenmord in Darmstadt und seiner Verfolgung durch die Familie der Getöteten (der zwei der Angeklagten weitläufig angehören) als einen möglichen Grund an. Auch sein Vater und sein Bruder hatten am ersten Verhandlungstag teilweise sehr erregt behauptet, der Überfall sei kein Raub gewesen, sondern der Versuch, den Sohn und Bruder zu töten, auch hierbei wurde der Darmstädter Fall erwähnt.
Es sei offenkundig, dass der vom 33-Jährigen geschilderte Tathergang in Umfang und Schwere weder mit der Tatortsituation noch mit dem Ergebnis der medizinischen Untersuchung übereinstimme, machten die Verteidiger geltend. Von einem Baseballschläger, den die vier Angreifer eingesetzt haben sollen, habe man keine Spuren gefunden, und der 33-Jährige habe Prellungen und Platzwunden, aber keine schwereren Verletzungen davongetragen. Ein psychiatrisches Gutachten sowie eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit seiner Aussage seien erforderlich.
Wetterau: 33-Jährigen in Falle gelockt?
Unmittelbar nach dem Überfall hatte die Polizei die Aussage des 33-Jährigen für plausibel gehalten. Ein IT-Spezialist, der ihm vorgelegte Handys auswertete, hatte deshalb keine Veranlassung gesehen, von sich aus nach Bestätigungen für die von ihm ermittelten Ergebnisse zu forschen. Er hatte sich auf das gute Dutzend Telefonate konzentriert, das im Vorfeld des Überfalls zwischen den Angeklagten sowie später einem der Angeklagten und dem 33-Jährigen stattgefunden hatte, und dann anhand der Handydaten auch den Weg dieses Mannes von seiner Wohnung in Mainz bis in die Wetterau nachvollziehen können.
Die Staatsanwaltschaft Gießen wirft den allesamt nicht in Hessen lebenden Angeklagten vor, sich an diesem Tag erst zu der Tat verabredet und danach den 33-Jährigen in eine Falle gelockt zu haben. Das Mobiltelefon des einen Angeklagten war später im Fahrzeug des 33-Jährigen gefunden worden. Darauf unter anderem gründet sich der Vorwurf, dieser Angeklagte habe im Kontext mit der Schlägerei das Portemonnaie des 33-Jährigen geleert.
Wetterau: Radfahrerin sieht zwei Autos
Keine neuen Aufschlüsse erbrachte die Befragung eines Polizisten hinsichtlich seiner Vernehmung einer Radfahrerin, die ungefähr zur Tatzeit ihre tägliche Runde mit dem Rad gedreht hatte und nach Ansicht des 33-Jährigen die Angeklagten gesehen haben müsse. Der Polizei gegenüber hatte die Zeugin erklärt, nur zwei Fahrzeuge gesehen zu haben, ein helles, aus dem zwei Personen ausgestiegen seien, sowie ein weiteres ohne Kennzeichen, in dem eine Person gesessen habe.
Die Verhandlung wird fortgesetzt.