Wetterauer Apothekerinnen kritisieren Exklusivverträge der Krankenkassen

Der anhaltende Medikamenten-Mangel trifft auch die Wetterau. Die Apothekerinnen Eva Brück aus Assenheim und Gerhild Thieß aus Friedberg erzählen im Gespräch mit der WZ mehr zu den Hintergründen.
In der Markt-Apotheke in Friedberg herrscht dieser Tage reger Betrieb. Inhaberin Gerhild Thieß bedient einen Kunden mit einem Rezept für Hustentropfen. Die verordnete Größe ist nicht mehr vorrätig. »Wir haben nur noch die große Packung«, entgegnet Thieß. Die sei von der Rezeptur her identisch, aber zuvor müsse sein Arzt die Zustimmung geben. Sie könne es telefonisch in der Praxis versuchen. An einem Mittwochnachmittag habe die aber wahrscheinlich schon geschlossen. Gerhild Thieß greift zum Hörer. Wie erwartet springt die Mail-Box an. Sie kann dem Kunden nur noch empfehlen, es bei einer anderen Apotheke zu versuchen: »Ich drücke Ihnen die Daumen.« Das gehe jetzt schon seit einigen Wochen so. »Wir finden fast immer eine Alternative«, sagt Gerhild Thieß. Aber die Suche koste sehr viel Zeit, und der Telefonaufwand sei enorm. Zumal die Kunden oft nicht nachvollziehen könnten, warum ihr Rezept oder ihr bevorzugtes Medikament in der Apotheke nicht mehr vorrätig ist. »Hier in Deutschland, das kennen die nicht«, sagt Thieß. Etwa zehn Prozent aller Arzneimittel könnten zurzeit nicht geliefert werden.
Mit dem Ausbruch des Corona-Virus habe es zeitlich in etwa angefangen. Aus Kostengründen produzieren viele deutsche Hersteller im Ausland - vor allem in Indien und China, berichtet die Apothekerin. Durch die geschlossenen Grenzen hätten medizinische Bauteile und Arzneimittel nicht mehr geliefert werden können. Die Problematik halte immer noch an, sagt Thieß. Verantwortlich seien unter anderem: »Preisgründe, Liefergründe und die hohe Nachfrage.«
Rabattverträge und Preisdruck
»Das System der Rabattverträge sollte kritisch diskutiert werden«, findet Eva Brück, Inhaberin der Apotheke Assenheim in Niddatal. Das Prinzip dahinter: Auf freiwilliger Basis können Pharma-Unternehmen Krankenkassen Rabatt auf Medikamente gewähren. Das mache ein Hersteller zum Beispiel, damit die Krankenkasse im Gegenzug nur sein Produkt ihren Versicherten anbietet. Eva Brück erklärt: Braucht ein Patient einen bestimmten Wirkstoff, entscheidet seine Krankenkasse über die konkrete Marke. Die Angaben zur Krankenkasse sind auf dem jeweiligen Rezept hinterlegt. »Das führt dazu, dass wir das gleiche Medikament manchmal von 13 Firmen auf Lager haben«, berichtet die Apothekerin.
Durch die exklusiven Verträge werde zudem die Produktionsmenge insgesamt reduziert. Unter anderem der Preisdruck führe nun zu Lieferengpässen und teilweise leeren Regalen in den Apotheken.
Täglich überprüft Eva Bruck die Listen der Hersteller auf neue Verfügbarkeiten. Auch sie erlebe einen »erhöhten Erklärungsbedarf«, berichtet sie. Denn nicht nur die verschreibungspflichtigen, sondern auch die freiverkäuflichen Medikamente seien von den Lieferengpässen betroffen. Ist ein Mittel nicht verfügbar, versuche das Team, bald eine Alternative zu finden.
Die beiden Apothekerinnen hoffen nun, dass auch die Politik andere Optionen ins Auge fasst.
Erkältung, Grippe und Corona
Für die Menschen in der Wetterau stehen die Feiertage vor der Tür. Eine Erkrankung ist jetzt auch mit optimaler Medikamtenversorgung ärgerlich - ohne umso mehr. Apothekerin Gerhild Thieß empfiehlt: Ruhe bewahren und auskurieren. Bei harmloseren Erkältungen könne viel Trinken und Wärme bereits erste Linderung verschaffen. Der schnelle Griff zur Zitrone und damit zu Vitamin C komme in der akuten Krankheitsphase wahrscheinlich zu spät. »Bei Husten kann aber Honig gut tun«, sagt Thieß. Außerdem empfiehlt sie jedem das Anlegen einer kleinen Hausapotheke. Schmerzmittel, Nasenspray und etwas für den Magen könnten beispielsweise darin Platz finden. Zumal es besonders jetzt wichtig sei, »zwei bis drei Wochen bevor die Packung zu Ende ist, zur Apotheke zu gehen«. Ist die Erkrankung schwerer und es handelt sich womöglich um eine Grippe oder
Corona, ist auch an den Feiertagen der Apotheken-Notdienst tätig. Bei Fieber und einem quälenden Hitzegefühl können neben den gängigen Medikamenten kalte Wadenwickel helfen, weiß Apothekerin Eva Brück. Bei Schüttelfrost empfiehlt sie hingegen warme Fußbäder. Und was ist mit der Grippe-Impfung? »Die lohnt sich jetzt noch«, sagt Brück. Denn die Hochphase der Grippewelle sei normalerweise erst im Januar und Februar. Die Grippe-Impfung wird Menschen über 60 Jahren, Vorerkrankten sowie ihren Kontaktpersonen empfohlen.