Wolf kontra Weidehaltung: Landwirte fordern mehr Unterstützung

»Der Schutz des Wolfes wird hierzulande über den Schutz der Weidetiere gestellt. Dafür haben wir kein Verständnis«, lautet die Kernaussage des hessischen Bauernverbands zum Wolfsmanagement.
Die Reaktion der Landwirte beim Thema Wolf spiegelt einmal mehr den Interessenkollision wider: Auf der einen Seite der Artenschutz, auf der anderen die Weidetierhaltung.
Die Landwirte fordern mehr Geld für Präventionsmaßnahmen, die Bestandsregulierung der Population, also das Abschießen von Wölfen. Zudem sind sie für einen zügigen Schadensausgleich, also Zahlungen, wenn Wölfe Nutztiere reißen.
Für die Landwirte ist klar: Die Wölfe gefährden die Weidetierhaltung. Die Sichtung eines Jungwolfes, der am 6. Februar am Rande des Ortsteils Homberg/Ohm-Ober-Ofleiden entdeckt wurde, verschärft die Diskussion zusätzlich.
Der Wolf erobert die Fläche zurück
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Wölfe in Deutschland massiv bejagt und schließlich ausgerottet. Nun erscheint der Wolf immer mehr auf der Bildfläche. Derzeit sind laut Wolfszentrum Gießen drei Einzeltiere in Hessen sesshaft - das heißt, sie wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten durch genetische Untersuchungen wiederholt in einer Region nachgewiesen.
Ihre Territorien liegen im Vogelsberg, im nordhessischen Stölzinger Gebirge und im Odenwald. Zusätzlich lebt ein Wolfspaar im Kreis Hersfeld-Rotenburg, zu dem wahrscheinlich eine dort sesshafte Wölfin zählt. Außerdem gibt es eine Wolfsfamilie im Rheingau-Taunus-Kreis.
In Gelnhausen wurde zuletzt ein Wolf im August des vergangenen Jahres gesichtet. Im Vogelsbergkreis wurden 2021 und 2022 zwei Wölfe sicher identifiziert, bei zwei Sichtungen, eine in Laubach und eine in Betzenrod, war keine Artbestimmung möglich.
Nicht bestätigte Verdachtsfälle
Im Büdinger Wald sind es bislang nicht bestätigte Verdachtsfälle. Fotos, genetische Proben, Kot, Urin, Trittsiegel und die Wolfsspur sind die Methoden des Nachweises. DNA-Proben von einem gerissenen Tier sind allerdings nur von einem frischen Kadaver möglich.
»Aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Wölfen sorgen sich unsere Schaf-, Ziegen- und Pferdehalter immer mehr um die Sicherheit ihrer Weidetiere«, gibt der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes und Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Vogelsberg, Volker Lein, nach der Sichtung in Ober-Ofleiden zu bedenken.
Dass das Tier auch wirklich ein Wolf ist, bestätigte die Analyse des Films durch das Wolfszentrum Hessen (WZH). Der Bauernverband spricht von 138 Wolfsnachweisen und beruft sich dabei auf die Angaben des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Laut HLNUG ist in ganz in Hessen mit durchziehenden Wölfen zu rechnen.
Schaf-und Ziegenprämie vom Land
Es sind vor allem die Schafe, Ziegen und auch Kälber, die von Wölfen in der Vergangenheit gerissen wurden. »Mit dem Aufwand und dem Schutz lassen wir die Schäferinnen und Schäfer nicht allein«, betont die Hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Priska Hinz, in einem Vorwort für den Wolfsmanagementplan.
Das Land unterstützt den Aufwand der Haltung und den Herdenschutz mit einer Schaf-/Ziegenprämie, die seit dem Sesshaftwerden der ersten Wölfe in Hessen noch erhöht wurde. Zudem werden besondere Sicherungsmaßnahmen unterstützt. Der Wolfsmanagementplan soll die Rahmenbedingungen für ein konfliktarmes Zusammenleben geben.
Doch die Schutzmaßnahmen und Ausgleichszahlungen sind umstritten. »Die Herdenschutzmaßnahmen in Form von Zäunen oder Herdenschutzhunden werden das Problem nicht lösen, weil sie nicht überall anwendbar sind und, wie die Praxis zeigt, keinen ausreichenden Schutz bieten«, sagt Lein.
Viel Geld- und Arbeitsaufwand
Die Förderung sei der wunde Punkt, bekräftigt auch der Pressesprecher des Hessischen Bauernverbandes Bernd Weber: Der Zaun koste viel Geld, die Förderungen des Landes seien eine gewisse Unterstützung, der Arbeitsaufwand für den Zaunbau und die Pflege werde jedoch nicht ersetzt.
Die Hessische Weidetierschutzrichtlinie vom 8. September 2021 sei als unverbindliches Angebot nach Haushaltslage zu verstehen. Die Landwirte benötigten jedoch eine dauerhafte, verlässliche und in der Höhe entsprechende Entschädigung. Weber erläutert dies an einem Beispiel. Die Förderung sei auf 80 Prozent der Kosten begrenzt, gedeckelt auf 450 Euro je Hektar und Jahr.
Laut Berechnungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft belaufen sich die tatsächlichen Kosten jedoch auf 1062,53 Euro pro Hektar. Weber: »Es sollten diejenigen, die den Wolfsschutz fordern, auch die damit verbundenen Kosten übernehmen. Lässt man den Wolf gewähren, wird er sich sukzessive vermehren. Da sollte man im Vorfeld gegensteuern.«
Weidehaltung ein Tierwohlaspekt
Weber benennt große Probleme in Brandenburg, dem Bundesland mit den meisten Wolfsvorkommen. Dort wurden 2020/21 allein 48 Rudel und 153 Welpen gezählt. »Diese Situation wollen wir in Hessen nicht haben.« Die Weidetierhaltung sei das, was propagiert werde, es sei ein Tierwohlaspekt. Gerade in der Wetterau sei die Beweidung der Schafe sehr wichtig.
Berufsschäfer Peter Link aus Nidda-Eichelsdorf, der 450 Tiere hütet, hält einen Teil seiner Tiere im Winter im Stall, einen andern Teil im Freien. Im Sommer sind alle Tiere draußen, am Abend kommen sie in einen Nachtpferch.
Der Schäfer sieht das Thema abwartend wie abgeklärt: »Wir haben so viele Jahre keinen Wolf gehabt und brauchen ihn auch jetzt nicht.« Er stellt sich vor, was passiert, wenn ein Wolf in den Nachtpferch eindringt. Würde er ein paar Tiere reißen, könnte man sie ersetzen. Was nicht ersetzbar sei: Wenn die Tiere dann in Panik aus dem Pferch ausbrechen, womöglich auf die Straße gelangen und bei einem Unfall Menschen verletzt werden würden. Link: »Darüber machen sich die da oben keine Gedanken.«