»Frieden ist quasi ein Tu-Wort!«
Gestern jährte sich der Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine. Wenn ich an diesen Tag zurück denke, erinnere ich mich an die Gefühle, die in uns allen tobten: Schock, Wut, Hilflosigkeit, Angst. Und was konnten wir tun? Wir organisierten Friedensgebete in unseren Kirchen, ließen die Glocken für den Frieden läuten, nahmen Flüchtlinge auf und versuchten, sie hier das Grauen des Krieges vergessen zu lassen.
Ich gebe zu, ich dachte, dass dieser Krieg nicht lange dauern würde. Aber nun ist es so und noch kein Ende in Sicht. Unzählige Opfer, Verwundete, Geflüchtete.
In den letzten Wochen und Monaten habe ich viele Menschen beerdigt, die den Zweiten Weltkrieg als Kinder und Jugendliche erlebt haben. In den Trauergesprächen war das immer präsent.
Die Angst, die Sirenen, die Bunker, der Geruch von Verwesung, der unstillbare Hunger. Väter, die in Kriegsgefangenschaft waren und verändert zurückkehrten. Familien, die auseinander gerissen wurden und dieses Gefühl der Zerrissenheit nie ablegen konnten. Traurig, dass es in Zukunft weiterhin solche Gespräche geben wird mit Opfern und Angehörigen der jetzigen Kriege und Krisen.
Worte aus Psalm 34 kommen mir in den Sinn: »Suche den Frieden und jage ihm nach«. Was sind wir bereit für Frieden zu geben? Und vor allem - was meinen wir, wenn wir von Frieden sprechen? Frieden ist schließlich nichts, was sich von selbst ergibt oder erhält. Für Frieden müssen wir aktiv einstehen. Uns bemühen. Frieden ist quasi ein Tu-Wort! Der Friedensnobelpreisträger Martin Luther King sagte einmal: »Das alte Gesetz von ›Auge um Auge‹ hinterlässt auf beiden Seiten Blinde.« Das stimmt zwischen Menschen und das stimmt zwischen Staaten und Völkern.
Wirklicher Frieden wurde mit einem Krieg noch nie gewonnen. Daraus folgt die Einsicht: Die eigentliche Wurzel des Unfriedens liegt nicht in äußeren Taten, sondern im Innern des Menschen.
Bevor ein Krieg ausbricht, hat er längst schon in den Herzen der Menschen begonnen. Deshalb heißt der erste Satz in der Präambel der UNESCO, die angesichts des Grauens des Zweiten Weltkrieges gegründet wurde: »Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Friede im Geist der Menschen verankert werden.«
In Hinblick auf diesen Ukraine-Krieg bekommen die Worte noch mal neue Aktualität: »Suche den Frieden und jage ihm nach«. Gemeint ist: Sich geduldig für etwas einsetzen, das schwer zu erreichen ist; mit aller Kraft und Ausdauer danach streben. Nicht mit dem Unfrieden abfinden. Energisch und kreativ sein bei der Suche nach Lösungen.
Mit Jagen ist gemeint: Suche mit Ausdauer, mit Engagement, mit Leidenschaft. Wir haben Passionszeit, »Passion« ist Leidenschaft. »Suche Frieden und jage ihm nach«. Dieser Appell muss in unseren Köpfen bleiben, sich festsetzen und uns zu Taten drängen, damit sich dieser sinnlose Krieg kein weiteres Mal jährt.
Herzlichst Ihre
Tanja Langer, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Eckartshausen FOTO: RED