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Frühjahrsputz für den Kurzurlaub am Gradierwerk

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Sabine Müller und Julien Laaß reinigen die Holzbütten im Turm des Gradierwerkes von Sedimenten. © Myriam Lenz

Im Turm des Gradierwerkes steckt die Arbeit. Dort wird geschrubbt und gesaugt, damit die Sole ungehindert und gleichmäßig in die Tiefe tröpfelt. Eines ist für den Saisonstart besonders wichtig.

Vom Turm des Gradierbaus liegt einem der Untere Kurpark zu Füßen. Sabine Müller, Mitarbeiterin des Kurpark-Teams, mag diese Perspektive: Die alten Bäume ruhen würdevoll auf dem Grün, der Springbrunnen ist in Sommerlaune, die Trinkkurhalle residiert mittig, am Brunnenhaus lehnt ein Gerüst. Der Kurpark Bad Salzhausen ist eine Insel - auch bei warmem Schmuddelwetter.

Mit den ersten Sonnenstrahlen strömen die Besucher und kommen Fragen: Warum ist das Gradierwerk noch nicht am Laufen? »Die Leute denken, wir müssen nur einen Schalter umlegen«, erzählt Barbara McLemore, die für die Liegenschaften der Stadt Nidda zuständig ist. Hier zwischen dem Gebälk steckt die Arbeit. Die dreiwöchige Frühjahrskur für das Gradierwerk erfolgt im Obergeschoss.

Das Holz saugt das Wasser auf

Es riecht ein wenig nach Fisch. Rechts und links unter dem langen hölzernen Gang stecken die Schwarzdorn-Büsche. Das Reisig kommt aus der Ukraine. »Das wird dort angebaut, wie bei uns die Kartoffeln oder das Getreide«, erklärt Julien Laaß, Leiter des Kurpark-Teams. Nach der Trockenlegung im Oktober saugen die Zweige die Feuchtigkeit förmlich auf. In ein paar Tagen wird sich der Geruch in eine frische Brise verwandeln und zahlreiche Besucher anlocken. Noch ist es im Kurpark ziemlich einsam. Eine kleine Gruppe aus der Klinik Rabenstein bewegt sich auf den Kieswegen, die Patienten schauen gequält bis interessiert Richtung Himmel, wo sie die Stimmen ahnen.

Das eigentliche Heil liegt rund 150 Meter in der Tiefe. Über unterirdische Leitungen gelangt das Quellwasser der Roland-Krug- und der Nibelungen-Quelle in den Solebehälter und wird von dort in den Dachstuhl des Gradierwerkes gepumpt. Kleine Wasserhähne an Holzwannen lassen die Sole in den hängenden Schwarzdorn-Teppich tröpfeln. Dann beginnt das Glasperlenspiel. Tausende Wasserperlen rieseln um die Wette in die Tiefe. Das Salz wirbelt in die Luft. Schließt man die Augen, fühlt man das Meer - fast.

Ein Industriestaubsauger übertönt das Rauschen. Julien Laaß saugt die Sedimente aus den Holzbecken. Sabine Müller bearbeitet mit einer kleinen Bürste einen verkrusteten Ablaufhahn. Täglich müssen sie von Ablagerungen befreit werden. Sonst gelangt kein Tropfen mehr in die Tiefe. Zwischen 6000 und 7000 Milligramm Natrium pro Liter, dazu Calcium, Magnesium, Kalium, Eisen und auch Bromid hinterlassen ihre Spuren an dem Metall des Wasserhahns. Ob dieser noch therapiert werden kann?

Je nach Witterung könnte das Gradierwerk bald geöffnet werden. Es muss frostfrei bleiben. Über 600 Quadratmeter erstrecken sich die Wände aus Schwarzdorn. Die kleinsten Ästchen wirken wie Widerhaken, sorgen durch die Verzahnung für den festen Sitz der Zweige. Setzt sich Frost darauf, brechen sie ab, die großen Zweige verlieren ihren Halt. Dann hilft nur noch ein Netz. Ein Grad minus geht gerade noch. Zehn bis 15 Jahre sollten die Büsche halten.

Das Meer und der Staubsauger

Das Dach des Gradierbaus schützt das zugleich robuste wie empfindliche Interieur vor Regenwasser. Und es verbreitet Flair. Das luftige Konstrukt aus Lärchenholz ist trotz seiner Größe ein heimeliger Ort. Julien Laaß zeigt ein Bild des beleuchteten Gebäudes im Schnee auf seinem Handy. Selbst von Schnee umhüllt strahlt es Wärme aus.

Für heute ist genug geschrubbt, die drei Mitarbeiter bewegen sich vorsichtig die Holztreppe hinunter. Es ist ein Gang durch Symmetrien. Sämtliche Balken, egal in welche Richtung sie streben, wirken wie ein vertrauenswürdiges Zusammenspiel. Selbst die vielen geschwungenen Bänke, die dicht hintereinander stehen, sind ein Blickfang, wirken als hätte jemand »copy and paste« gedrückt. Im Sommer sitzen dort die Besucher, schieben ihren Kopf in den Nacken, schließen die Augen, weiten ihre Nasenflügel, um den feinen Salznebel zu inhalieren. Die Aerosole befördern mit bis circa 6,5 bis 7,0 Prozent Salz eine glücksbringende Fracht - eine Wohltat für die Atemwege und entschleunigend fürs Gemüt. »Zehn Minuten hier zu sitzen, ist fast wie ein Kurzurlaub«, sagt Barbara McLemore. Insbesondere an der schattigen Nordseite werden hitzige Temperaturen zum angenehmen Lüftchen.

Sabine Müller und Julien Laaß lassen ihre Blicke über das Reisig wandern, über welches das Wasser klimpert. Auf einem schmalen Streifen ist das Geäst deutlich heller und noch trocken. »Da oben wird wohl der Wasserhahn zu sein«, vermutet Sabine Müller.

Ein Laubbläser dröhnt. Ein Kollege säubert den Weg. Die Bänke müssen noch gereinigt werden, ein Herz aus Krokusse reckt sich farbig aus der Erde. Der Kurpark erwacht.

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