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Fünf Monate werden zu sechs Tagen

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24 Stunden mit dem Auto, 15 davon durch die Wüste: Langsam färbt die Sonne den Himmel rötlich und im Rückspiegel sind die übermüdeten Augen des Fahrers zu sehen, der den jungen Ortenberger Marius Brill und seinen Begleiter Benedikt Hehn nach Dakhla bringt. © pv

Vor einem Jahr brach der junge Ortenberger Marius Brill mit dem Rad von Mittelhessen auf in Richtung Namibia. Nach vielen Erlebnissen und tausenden Kilometern im Sattel ist er auf der Rückreise.

Vor gut einem Jahr startete der junge Ortenberger Marius Brill mit seinem guten Freund Benedikt Hehn von Mittelhessen per Rad ins südliche Afrika. Viel haben sie auf diesen Reisen erlebt, ihr Ziel Namibia aber nicht erreicht. Nun ging es wieder zurück in Richtung Heimat und fünf Monate auf dem Rad in Afrika wurden zu sechs Tagen in Auto und Bus.

Es ist Abend und erstmals seit fünf Monaten sehen wir wieder Europa am Horizont. Wir sind in Tanger angekommen. Wehmütig geben wir uns diesem Moment hin, der nicht nur das Ende des Kapitels »Afrika« bedeutet, sondern auch das Ende eines ungewöhnlichen Unterfangens: 3380 Kilometer von Soma in Gambia nach Tanger in Marokko zurückzulegen - so schnell als möglich und ohne Flugzeug. Wir schafften es in sechs Tagen!

Tag eins: Nachdem wir den Gambia-River zum zweiten Mal, dieses Mal gen Norden, überquerten, wartete die gambisch-senegalesische Grenze. Das Prozedere kannten wir. Doch als wir unsere Pässe entgegennehmen wollten, weigerte sich der gambische Beamte. Diskutieren half nicht, er wollte Geld und wir nicht zahlen. So blieb uns nichts übrig, als zu warten. Es funktionierte. Seine Aussicht auf Erfolg schwand und er lenkte ein. Kaolack war nun das Ziel, aber es wurde spät. Unter Bäumen und Büschen schliefen wir.

Zwielichtige Gestalten

Tag zwei: Die anhaltenden politischen Unruhen in Senegal ließen uns keine Ruhe. Wir wollten schnellstens nach Mauretanien, aber nicht per Rad. In Kaolack hofften wir, eine schnellere Lösung zu finden. Wie sich herausstellte, fuhren Taxis bis nach Rosso, dem berüchtigten Grenzübergang zu Mauretanien. Es bedurfte zunächst aber Preisverhandlungen mit den Fahrern. Nach einer Stunde einigten wir uns, und unsere Räder waren fest verschnürt auf dem Dach eines alten Citroën. Überladen und viel zu schnell jagten wir nach Norden. Die Nacht war noch nicht alt, da erreichten wir Rosso. Bevor wir aber aussteigen konnten, nahm ein Polizist unsere Pässe und verschwand. Männer, die vorgaben, uns zu helfen, begannen den Kofferraum zu leeren. Bestimmte Worte und energisches Eingreifen wendeten den offensichtlichen Betrug ab. Im Hotel klärten wir den Verbleib unserer Pässe, aßen und schliefen sofort ein.

Tag drei: Der Tag begann in der Polizeistation. Es galt, die Pässe zurückzubekommen und die Grenze zu passieren. Fatima, eine junge Frau aus Gambia, half uns. Auf der anderen Seite des Senegal-River wurde es undurchsichtig. Männer, offenbar Zivilisten, nahmen unsere Pässe und führten uns in Büros der Beamten. Wir hatten Glück. Kevins charismatisches Französisch kaufte gleich den diensthabenden Beamten. Nach wenigen Augenblicken hatten wir unsere gestempelten Pässe, in Rosso durchaus glücklich. Noch ein kurzer Alkohol- und Drogentest, während dem die mysteriösen Männer wieder unsere Pässe nahmen, und wir verließen das Gelände: Mauretanien. Es warteten bereits zwei Taxis. Noch aber ging es nicht los. Nach hitzigen Diskussionen bestachen wir einen Mann unseres Alters. Er sorgte dafür, dass uns die Polizeisperren auf der Straße nicht aufhalten würden. Die ominösen Männer wollten ebenfalls eine Provision, wie sie es nannten. Zuvor drängten sie uns, die zur Einreise erforderliche Menge Bargeld abzuheben. Ein Trick, wie sich herausstellte. Während des Verhandelns um die Bestechungssumme rauschte das erste Taxi mit den Rädern auf dem Dach davon. Nun wurde es ungemütlich. Wir bestachen schließlich auch sie und konnten endlich los, weg von diesem Ort.

Zurück in Marokko

In Nuakschott angekommen, verloren wir keine Zeit, sammelten die Räder ein und suchten sofort den Taxistand. Den Nachmittag und Abend verbrachten wir dort. Baba Ali, unser Fahrer, würde uns nach Dakhla in Marokko bringen. Wir waren glücklich, denn er war genauso freundlich wie erfahren. Im Preis war das Bußgeld für die Überladung des Autos bereits enthalten. Mit Einbruch der Dunkelheit ging es in die Wüste. Es war bezaubernd. Wir saugten jeden Moment auf, als würden wir eine alte Freundin verabschieden. An einer Raststätte versuchten wir zu schlafen, aber Fliegen und der harte Boden hielten uns ab.

Tag vier: Nach drei Stunden Rast kletterte Baba Ali unausgeschlafen aus dem Kofferraum seines Autos. Es ging weiter an die Grenze. Alles verlief nach Plan. Es fühlte sich wunderbar an, wieder in Marokko zu sein. Ein Nouss Nouss (Cappuccino) und es ging weiter. Wieder ein Tag im Auto. Mit Einbruch der Dunkelheit, nach 24 Stunden, erreichten wir Dakhla. Und Baba Ali war jede Sekunde davon selbst gefahren.

Tag fünf: Wir machten einen Tag Pause in einem Hotel. Danach ging es ohne die Räder weiter, sie schickten wir bereits am Vortag per Post nach Tanger. Für uns ging es mittags zum Bus und auf eine erneute Fahrt in die Wüste.

Tag sechs: Wir erwachten, als der Bus hielt. Es roch nach gegrilltem Fisch und Minztee. Die Nacht, die Lichter und der Trubel der Menschen; es war magisch. Zurück im Bus stieg die Sonne am rötlichen Horizont empor und bald darauf erreichten wir Marrakesch. Es blieb gerade Zeit für ein Mittagessen, denn wir hatten einen Zug gebucht. Nach Monaten trafen wir wieder auf Backpackerinnen. Nach wenigen Stunden tauchten hinter braunen Hügeln und grünen Wiesen die ersten Häuser Tangers auf. Und weit dahinter zeigte sich Spaniens Küste. In sechs Tagen machten wir fünf Monate Radreise wett - ein Auge lachend, das andere weinend.

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Bereits zuvor haben die beiden Radreisenden den Senegal durchquert. Ihre Räder wurden dabei auf abenteuerliche Weise verstaut. © pv
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Über den malerischen Senegal-River ging es dann mit den Piroggen genannten kleinen Holzbooten nach Mauretanien. © pv

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