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Gedanken am Lagerfeuer

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Abends am Lagerfeuer reflektieren Marius Brill, Benedikt Hehn und ihr zeitweiser Begleiter Roland aus der Schweiz die Ereignisse des Tages. © pv

Mit dem Rad ist der junge Ortenberger Marius Brill unterwegs ins südliche Afrika. Mit seinem Begleiter Benedikt Hehn berichtet er im aktuellen Reisebeitrag von Erlebnissen am Hohen Atlas in Marokko.

Der junge Ortenberger Marius Brill und sein Begleiter Benedikt Hehn brachen im Sommer 2022 mit dem Rad aus Mittelhessen auf, um das südliche Afrika zu erreichen. Mittlerweile durchqueren sie Marokko in Richtung Sahara. Ihr aktueller Reisebericht handelt von einem Rückblick auf den jüngsten Reisetag am abendlichen Lagerfeuer zusammen mit einem weiteren Mitreisenden, der sich ihnen unterwegs anschloss:

Das Springen der Ketten ist deutlich im Brausen des Winds zu hören. Es weht starker Gegenwind, doch die Neigung und unsere Tritte sind stärker. Die anderen beiden greifen tief in ihre Rennradlenker, geben dem Wind kaum Angriffsfläche. Auch ich greife tiefer und schalte noch einen Gang hoch. Fest haftet mein Blick auf den rasenden Metern vor mir. Roland und Bene jagen an mir vorüber. Ihre Räder drücken sie unaufhaltsam bergab. Wieder das laute Klicken ihr Schaltungen. Ich sehe noch, wie sie sich nach links in die Kurve legen, dann verschwinden sie. Das Getöse des Winds beansprucht all meine Sinne, als auch ich mich in die Kurve lege. Dann richte ich mich wieder auf.

Erlebnisse des Tages

Als ich meinen Kopf nach rechts drehe, dringt Benes Jubelschrei an mein Ohr. Ich lache laut auf; was für ein Anblick! Der Fluss Zagmozen lässt an seinem Flussbett Felder und einen Birkenhain wachsen. Rechts fallen steile Felsen schroff ab und die Abendsonne lässt das Wasser der Oase rot schimmern. Das Tal wird dominiert von der großen Kasbah El Glaoui am linken Flussufer, rechts unter den Felsen liegt Taliouine. Wir haben unseren Schlafplatz erreicht.

Es ist ein einfacher Abend. Die Birken stehen weit genug auseinander für unsere Hängematten und Feuerholz gibt es im Überfluss. Gleich nach unserer Ankunft rührt Bene einen Stockbrotteig an und Roland entfacht wie immer das Feuer. Mittlerweile ist die Sonne hinter den weißen Gipfeln des Hohen Atlas versunken und wir rücken noch etwas an die Flammen heran, weil es kalt wird. Zitternd spuckt das Feuer Funken in den klaren Nachthimmel, da beginnt Bene zu erzählen: »Der Atlas heute, mit seiner Schneedecke; ich weiß nicht, wann ich schon mal solch hohe Berge sah, die quasi aus dem flachen Nichts beginnen. So mächtig.« Ich nicke. Roland liegt auf der Seite und stochert mit einem Ast in der Glut, darüber sein Stockbrot. »Wie hoch sind diese Hänge? 1500, 2000 Meter?« fragt er, ohne eine Antwort abzuwarten. »Dimensionen, die ich so nicht mal aus der Schweiz kenne«, setzt er nach. »Überwältigend, wirft Bene ein, um gleich weiterzufragen: »Möchte eigentlich jemand Tee?« Er winkt mit der Thermoskanne. »Ja, gerne«, gibt Roland zurück und reicht ihm seinen Becher. Auch ich gebe Bene meine Tasse, ein Geschenk meiner Eltern. Mein Blick fällt auf den Spruch, der draufgedruckt ist: In den Bergen ist jeder Tag ein Sonntag.

Beeindruckende Gebirgskette

Ich blicke wieder zu Bene. »Dein Moment heute war also der schneebedeckte Atlas?« schließe ich an seine Erzählung an. »Ganz klar«, antwortet er. Tauben gurren und irgendwo in Richtung Fluss knackt ein Baum. Dann blickt Bene Roland an, »Deiner?« »Gute Frage.« Roland öffnet seine Hand und der Ast fällt langsam in die Glut. »Der Mann heute, der vor uns hielt und uns die Orangen schenkte, wisst Ihr? Das ist meiner«, sagt er. »Dem schien unser begrenztes Packmaß ziemlich egal gewesen zu sein«, wirft Bene ein. »Ha!«, lache ich laut auf, drehe mein Stockbrot über der Glut und fahre fort, »und das ist hier normal, so gehen die Menschen eben miteinander um. Nur uns überrascht das eben«. »Schon«, stimmt mir Roland zu und äugt prüfend auf das Ende seines Stockbrots. »An diesen Umgang könnte ich mich echt gewöhnen«, setze ich nach. Bene und Roland nicken, dann trinken sie vorsichtig den heißen Kräutertee.

Über seinen Becherrand schielt Roland in meine Richtung. »Und Dein Moment, Marius?« fragt er. »Phu«, beginne ich und grübele, »eigentlich hätte ich auch die Berge gesagt, aber so sage ich die trocknende Wäsche am Fluss«. »Ja, das war auch fantastisch«, ergänzt Bene, bevor ich weiterspreche: »Das waren sogar die schweren Teppiche. Die, die auch in den Teezimmern liegen. Und der Felsen war nicht klein, aber vollgehangen von oben bis unten.« Roland nickt und schmunzelt. »Das war richtig cool«, sagt er anschließend und zieht sein Stockbrot zu sich heran. Fein sieht es aus, dunkel, aber nicht schwarz. Bene tut es ihm gleich und kurze Zeit später zupfen beide zufrieden dampfendes Brot von ihren Stöcken. Mein Brot braucht noch etwas und so setze ich noch einmal an: »Heute war gut, ja. Und morgen ist Sonntag, stimmts?« Vom Essen eingenommen, nicken beide lediglich. »Schön«, bemerke ich abschließend, »dann wird morgen bestimmt auch gut«.

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Am Straßenrand sehen die Radreisenden eine Familie bei einer nicht alltäglichen Form des Wäschewaschens. © pv
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Ein Bauer schenkt den Radreisenden aus Deutschland und der Schweiz Orangen für den weiteren Weg. © pv
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Ein atemberaubender Anblick: Die Berge des Hohen Atlas, die quasi aus der Ebene zu wachsen scheinen, beeindrucken die jungen Reisenden in besonderem Maße. © pv

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