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Genervt von der Trockenheit

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_10_min_in_oberhessen © pv

Braun ist definitiv nicht meine Lieblingsfarbe. Weite Teile des Ufers wirken blass und ausgelaugt, wie von der Hitze erschlagen. Da und dort schaffen es zarte Pflänzchen an die Oberfläche als wollten sie zeigen: Schaut nur her, es gibt doch noch Leben in all der Trockenheit. 10 Minuten am Stauweiher reichen aber aus, um von diesem Sommer endgültig genervt zu sein.

Die Nidder gibt hier in Hirzenhain an manchen Stellen bestenfalls noch ein Bächlein ab. Dass am Stausee zeitweise eine Tiefe von sieben Meter gemessen wird, ist an diesem Dienstag im Juni nur schwer vorstellbar. Sandbänke, Inseln und jede Menge Treibgut, das in der Hauptsache aus mehr oder weniger dicken Ästen besteht, haben so gar nichts von der Idylle, die auf der Informationstafel des Vulkan-Radweges am Ostufer angepriesen wird. «Ruhe genießen, Kraft tanken - Hirzenhain« heißt es da. Zudem wird die Landschaft hier im oberen Niddertal mit schattigen Wäldern und idyllischen Seen beschrieben. Schatten? Den spenden wenigstens die Bäume entlang der ehemaligen Bahntrasse.

Auf der gleichen Tafel ist auch eine Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem Winter 1940/41 abgebildet. Sie zeigt einen eingeschneiten Dampfzug, der im Verlauf der 1984 stillgelegten Srecke steckengeblieben ist. Extremwetter, die gab es auch früher schon. Strenge Winter und heiße Sommer sind damals freilich noch anders bewertet worden.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Stausees zieht eine Stützmauer die Blicke auf sich. An die vier Meter ist die hoch und wirkt an ihrem südlichen Ende wie ein Molenkopf. Weiße Farbe sticht an einer Stelle hervor. Ihre Umrisse erinnern an einen Mensch, der im Wasser versinkt und hilfesuchend mit den Armen in der Luft rudert. Zugegeben, man braucht vielleicht etwas Fantasie dafür. Einige Meter daneben liegt ein Steg, der im Sommer ohne Funktion ist. Die Stufen einer angebrachten Treppe führen auf eine Sandbank.

Vorne, an der Bahnhofstraße, sind die Entfernungen der Ortschaften flussabwärts auf einem Wegweiser abzulesen. Nach Lißberg sind es 4,8, nach Ortenberg 7,3, nach Glauburg 14 und nach Altenstadt 23 Kilometer mit dem Fahrrad. An diesem Nachmittag bleibt das asphaltierte und in Teilen von der Sonne aufgeheizte graue Band verwaist. Nur einmal kommt ein Unerschrockener vorbei. Ein junger Mann trabt locker-flockig am Ufer entlang. Er trägt ein Trikot der Nationalmannschaft, aus seinem iPhone kommen fette Beats. Er lächelt. Hat was, wie der Läufer einen völlig gechillten Eindruck macht.

Entlang der Lißberger Straße fällt mir dann ein Motorradfahrer auf, der am Seitenstreifen halten bleibt, sich den Helm vom Kopf reißt und schwer atmet. Die Leder-Kombi, die Handschuhe und die Stiefel haben bei über 30 Grad ganze Arbeit geleistet. Mit ihm tauschen? Auf keinen Fall. Da würde ich mich lieber aufs Rad setzen und die 23 Kilometer nach Altenstadt fahren, um zu schauen, was mein alter Freund, der Schöni, so treibt bei dem Wetter. BJÖRN LEO

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