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Gerichtsurteil ausschlaggebend: Kein Badesteg am Nidda-Stausee

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Keinen Anreiz schaffen: In diesem Sommer soll voraussichtlich kein Badesteg an dieser Stelle des Stausees zum Baden einladen. © Stefan Weil

In diesem Jahr wird es am Nidda-Stausee keinen Badesteg geben,hat die Stadt entschieden. Hintergrund ist ein tödlicher Unfall vor drei Jahren in einer nordhessischen Kommune und ein Gerichtsurteil gegen den Bürgermeister.

In diesem Sommer wird am Nidda-Stausee kein Badesteg eingelassen. Das hat Bürgermeisterin Susanne Schaab in der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsausschusses in dieser Woche verkündet.

Die Entscheidung ist eine indirekte Folge des tragischen Unglücks, bei dem vor über sechs Jahren drei Kinder in einem Dorfteich im nordhessischen Neukirchen durch Ertrinken starben.

Daraufhin wurde der damalige Bürgermeister der Gemeinde wegen fahrlässiger Tötung in erster Instanz verurteilt. Er sei seiner Sicherungspflicht an dem Dorfteich nicht nachgekommen, so das Gericht, das von einer Mitverantwortung des Bürgermeisters für das Unglück ausging.

Das Urteil hatte Konsequenzen. Hunderte von Kommunen sperrten daraufhin ihre Gewässer und Badeseen, wie das Online-Magazin »Kommunal« berichtet.

Das Unglück und seine Folgen hat auch in der Schottener Stadtverwaltung zu kritischem Nachdenken geführt. Denn die Stadt ist neben den beiden Freibädern in Schotten und Einartshausen auch als Ordnungsbehörde für den Nidda-Stausee zuständig. Das Gewässer selbst ist im Besitz des Wasserverbandes Nidda.

Laut einer Studie der GVV Kommunalversicherung, die die Stadt angefordert hat, wird gesetzlich unterschieden zwischen einer »Badestelle« und einem »Naturbad«. Entscheidender Unterschied ist, ob Anreize geschaffen werden, die zum Baden einladen. Dann handelt es sich im offiziellen Sprachgebrauch um ein Naturbad - und das ist aufsichtspflichtig.

Ständige Badeaufsicht nicht leistbar

Ein solcher Anreiz ist zum Beispiel ein Badesteg. Es kann aber auch eine Rutsche oder einfach eine Leiter sein, über die man in ein Gewässer hineingleiten oder einsteigen kann. Oder ein Angebot zum ungestörten Umziehen.

Ist das der Fall, muss eine kontinuierliche Badeaufsicht gewährleistet sein. »Das können wir nicht leisten«, betont die Bürgermeisterin. »Wir sind als Stadt nicht in der Lage, dauerhaft das Badegeschehen zu beaufsichtigen.«

Das sei auch für die ehrenamtlich arbeitende DLRG-Ortsgruppe Friedberg/Bad Nauheim nicht möglich. Die Lebensretter verrichten an zehn Wochenenden im Hochsommer einen Wachdienst, aber keine Badeaufsicht, wie sie für ein Badeangebot mit einem Steg nötig wäre.

Auch das Aufstellen von Schildern wie »Baden auf eigene Gefahr« entlaste den »Anreizgeber« nicht von seiner Haftungspflicht. Bliebe die Möglichkeit, den Bereich um den Badesteg direkt unterhalb des hinteren Endes des Campingplatzes einzuzäunen und mit einer abschließbaren Tür zu versehen. Dafür wäre aber Personal nötig, was andererseits hohe Kosten verursacht.

Zudem müssten Öffnungszeiten festgelegt werden, was keine so einfache Sache sei, sagt die Bürgermeisterin. »Wenn ein Unfall passiert, entscheidet über die Ordnungsmäßigkeit im Zweifelsfall Jahre später einmal ein Gericht.«

Bürgermeisterin: Bürokratie mit krankhaften Zügen

Der Nidda-Stausee wird an heißen Tagen auch Abends gerne für eine wohltuende Abkühlung genutzt. »Um ganz sicher zu gehen, müsste dann eine Badeaussicht rund um die Uhr vorhanden sein«, ergänzt Dirk Schneider, der Leiter der Wirtschafts- und Versorgungsbetriebe.

Der städtische Eigenbetrieb ist verantwortlich für den Badesteg, der in den Wintermonaten an anderer Stelle im See sicher vertäut ist.

Konsequenzen könnte die Vorsichtsmaßnahme auch für den Brandteich in Eichelsachsen haben. Das kleine Gewässer wird gerne zum Baden genutzt. Zum bequemen Einstieg ist eine Leiter vorhanden. Nach der gesetzlichen Definition stellt sie ein Stück Infrastruktur dar, die geeignet ist, Badelustige anzuziehen. Somit wäre eine Badeaufsicht nötig.

Bürgermeisterin Schaab zeigt sich verärgert über die gerichtliche Zuweisung einer Mitschuld ihres früheren nordhessischen Kollegen. »Wir überbürokratisieren uns zu Tode. Die öffentliche Verwaltung kann keine Vollkaskoversicherung garantieren. Das nimmt schon krankhafte Züge an«, findet die Verwaltungschefin klare Worte.

In dieser Woche hat vor dem Landgericht in Marburg der Berufungsprozess gegen den in erster Instanz verurteilten ehemaligen Bürgermeister von Neukirchen begonnen. Das Urteil wird mit Spannung erwartet. Eine Revision ist möglich. Das endgültige Urteil könnte daher Sache des Bundesgerichtshofes sein.

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