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Gesprächskreis Lebenssinn in Steinberg: Hilfe zur Selbsthilfe

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Der Gesprächskreis Lebenssinn bietet die Chance, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Die Erfahrung »Ich bin nicht allein, andere haben dieselben Probleme und vielleicht schon ein paar gute Einzellösungen« kann entlastend sein. SYMBOL © DPA Deutsche Presseagentur

Seit 2019 gibt es den Gesprächskreis Lebenssinn in Steinberg als Selbsthilfegruppe für Menschen mit Angsterkrankungen, Panikattacken und Depressionen. Für die Teilnehmer sind die Treffen ein wichtiger Mosaikstein der Stabilisierung.

Etwa zehn Teilnehmer im Alter zwischen 40 und 65 Jahren treffen sich regelmäßig im Gesprächskreis Lebenssinn, einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Angsterkrankungen, Panikattacken und Depressionen, die Peter Rathgeb (Name von der Redaktion geändert) als selbst Betroffener 2019 in Steinberg gegründet hat. Manche Betroffenen kommen nur einmal oder sporadisch ins Bürgerhaus in Steinberg, um sich zu informieren, auch Angehörige suchen das Gespräch. Für die Kerngruppe aber sind die Treffen ein wichtiger Mosaikstein der Stabilisierung.

»Unser Konzept ist ›Trotz Erkrankung so selbstbestimmt wie möglich leben‹«, sagt Rathgeb. Denn: »So sehr wir uns das wünschen würden: Unsere Erkrankungen gehen nicht von selbst wieder weg wie eine schwere Grippe, nach der man wieder wie gewohnt leben kann, wenn das Fieber und die Gliederschmerzen vorbei sind. Es sind vielmehr ausgeprägte, oft chronische Krankheitsbilder, die eine ärztliche und therapeutische Begleitung brauchen, aber auch die Eigeninitiative des Patienten. Betroffene müssen bis ganz konkret in den Alltag hinein ein Konzept entwickeln, das ihre Symptome erträglicher macht, müssen schrittweise wieder mehr Selbstständigkeit und Aktionsfähigkeit zurückgewinnen.«

Rathgeb schildert, wie die Erkrankung bei ihm begann. »Es geschah wie aus heiterem Himmel. Ich war damals 42 Jahre alt, machte meinen gewohnten Feierabendspaziergang, als ich plötzlich keine Luft mehr bekam. Herzrasen, Panik, das Gefühl, vernichtet zu werden - noch heute vermeide ich, daran zu denken. Für den Heimweg von zehn Minuten brauchte ich zweieinhalb Stunden«, sagt er. Es war der Beginn einer schweren Angststörung, aus der sich Rathgeb in über fünf Jahren in kleinen Schritten teilweise befreien konnte.

Keine Therapie, aber Schutzraum

Aus dieser Erfahrung heraus gründete er in Kooperation mit der Selbsthilfekontaktstelle des Wetteraukreises den Gesprächskreis Lebenssinn. Unterstützt wird der Gesprächskreis von der AOK Hessen, die jetzt auch einen Vortrag fördert (siehe Info).

Rathgeb ist Realist. »Es ist nicht so, dass zwei, drei Gruppentreffen die Symptome zum Verschwinden bringen«, sagt er. Die Gruppe biete die Chance, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, Hilfe zur Selbsthilfe zu entwickeln. Die Erfahrung »Ich bin nicht allein, andere haben dieselben Probleme und vielleicht schon ein paar gute Einzellösungen« sei entlastend. Die Gruppe könne keine Therapie ersetzen, wohl aber ein Schutzraum sein. Rathgeb: »Was dort gesprochen wird, kommt nicht nach außen. Unsere Treffen stehen allen Erwachsenen, Männern oder Frauen, gleich welcher Herkunft, offen.«

Nach nützlichen Einzellösungen für ihn selbst befragt, antwortet Rathgeb: »Mir hat zum Beispiel ein Leitfaden zum Verhalten bei Panik sehr geholfen. Dort werden spezielle Atemtechniken genannt und dass man eine Botschaft wie ›Ich bin stark, ich schaffe das‹ wiederholt - das wirkt ähnlich wie die Selbstsuggestionen beim Autogenen Training. Weitere Tipps sind Entspannung, Wasser trinken oder den Puls am Handgelenk abkühlen.«

Über welche anderen guten Erfahrungen berichten Gruppenmitglieder? Rathgeb: »Die meisten von uns sind in psychotherapeutischer Behandlung, die aber in Phasen der Stabilisierung in größeren Abständen erfolgt. Die meisten haben mit Psychopharmaka eher schlechte Erfahrungen gemacht: zu wenig Wirkung oder unangenehme Nebenwirkungen. Ganzheitliche Angebote wie Qigong oder Yoga tun gut. Darüber hinaus planen wir bei unseren regelmäßigen Treffen auch Angebote von Übungen mit der Ergotherapeutin Gabriele Willomitzer.«

Für Samstag, 4. November, lädt der Gesprächskreis Lebenssinn zu einem Vortrags- und Diskussionsabend in das Bürgerhaus Steinberg ein. Beginn ist um 18.30 Uhr. »Umarme deine Angst« lautet der Titel, den die Referentin Gabriele Lotz-Forndron gewählt hat. Sie ist Psychologin, in der Erwachsenenbildung auch für die Volkshochschule Wetterau tätig. Schwerpunkte des Vortrags sind Angst, Symptome und Auswirkungen, Hilflosigkeit als Folge, Ursachen, Selbsthilfeprogramme und -erfahrungen. Alle, auch Angehörige von Betroffenen, sind dazu eingeladen. Getränke und Snacks werden angeboten. Eine Anmeldung wird bis spätestens 27. Oktober per E-Mail an gespraechskreislebenssinn@web.de oder unter der Rufnummer 01 75/20 30 67 8 erbeten. Der Vortrag wird unterstützt durch die GKV/AOK Hessen und durch die Selbsthilfekontaktstelle des Wetteraukreises mit Anette Obleser. VON ELFRIEDE MARESCH

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