1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis

Hans Joachim Schwarz: »Wir haben keine Lobby«

Erstellt:

Von: Myriam Lenz

Kommentare

myl_SchwarzBadSalzhausen_4c
An der Therme vorbei: Hans Joachim Schwarz, Ortsvorsteher von Bad Salzhausen, mit Hündin Paula während seines morgendlichen Spaziergangs. © Myriam Lenz

In einem Interview spricht der Ortsvorsteher von Bad Salzhausen über die Hintergründe seines vorzeitigen Rückzugs, das Image der Salzhäuser und die Zukunft des angeschlagenen Kurorts.

Mit Ihrem Rücktritt hat keiner wirklich gerechnet. Wie kam das?

In den vergangenen Monaten ist so viel passiert. Ich hatte das Gefühl, einem wird in bestimmten Situationen die Entscheidung über den Kopf gestülpt. Man kann so viel probieren, wie man will, und steht dann machtlos davor. Es hat keinen Spaß mehr gemacht. Ich bin sehr froh über unser Team im Ortsbeirat. Es ist eine andere Generation, die Jüngeren sind resoluter. Es ist ein gutes Zusammenspiel, jeder hat seinen Part. Sicherlich ist es für sie auch enttäuschend, doch bei mir kommen noch gesundheitliche Probleme dazu. Gerade die Thermenschließung oder die Streitigkeiten mit dem Bürgermeister nahmen mich so mit, dass ich nachts nicht mehr schlafen konnte. Das muss ich mir nicht antun. Am 3. Mai werde ich 70. Ich denke, ich habe genug gemacht.

Es wird gesagt, die Bad Salzhäuser seien arrogant und überheblich. Woher kommt das?

Früher war das so. Die Bad Salzhäuser haben schon gemeint, sie wären was Besonderes. Alle waren auf den Kurgastbetrieb angewiesen, jeder hat dem anderen den Kurgast geneidet. Seit sechs, sieben Jahren sind Jüngere am Ruder. Das macht sich im Ortsbeirat und in den Vereinen bemerkbar. Es ist ein engerer Zusammenhalt. Es hat sich eine Clique gebildet, die sich die Zukunft Bad Salzhausens auf die Fahnen geschrieben hat. Da ist es sicherlich von Vorteil, wenn junge Familien dazukommen.

Vorher Senioren, jetzt Familien. War das überfällig?

Es sind schon junge Familien nach Bad Salzhausen gekommen und wir sind bemüht, ihnen etwas zu bieten. Wir haben dieses Jahr das Osterfeuer, das Kinderfest im Kurpark oder den Weihnachtsmarkt organisiert. Da kommen viele nach Salzhausen und stellen fest, wie schön es bei uns ist. Bis so alles funktioniert und organisiert ist, das geht auch an die Substanz. Dann ist es schade, wenn man gesagt bekommt, ›ihr seid ja eine komische Truppe‹. Das gilt auch für die Aussage, ›Bad Salzhausen ist ein Zuschussbetrieb‹. Das bekommt man die letzten 20 Jahre, seitdem die Therme im Besitz der Stadt ist, immer wieder aufs Brot geschmiert. Für den Zuschussbedarf können wir nichts. Da könnte man jetzt die Frage stellen, wer daran schuld ist? Im Haushalt standen immer wieder Positionen, um den Kurpark oder die Therme auf Vordermann zu bringen. Doch hat es nie die Initiative gegeben, das auch wirklich umzusetzen.

Woran liegt das?

Wir haben keine Lobby, die sich um uns kümmert. Der jetzige Bürgermeister sowie die Fraktionen setzen wohl andere Prioritäten, der alte Rathauschef hatte als Parteiloser keine Rückendeckung. Es ist weder dem einen noch dem anderen einen Vorwurf zu machen.

Wenn man den Besucherstrom bei den Festen, wie zum Beispiel dem Lichterfest, betrachtet, scheint Bad Salzhausen für die Niddaer schon wichtig…

So viele Besucher wie dieses Jahr waren beim Lichterfest im Kurpark lange nicht mehr da. Auch bei schönem Wetter läuft der Kurpark über. Der Park wird als Selbstverständlichkeit genommen, dass das aber Geld kostet, sehen viele nicht.

In den kommenden Jahren stehen in Bad Salzhausen etliche Baustellen an. Mit welchen Erwartungen oder Befürchtungen sehen Sie diese Phase?

Ideen sind gefragt, um den Abgang der Gäste zu verhindern. Man merkt jetzt schon, dass Kerstin Alt bemüht ist, Alternativen zu finden. Einige Betreiber von Cafés oder die Klinik Rabenstein sind auf die Gäste angewiesen. Die Asklepios-Klinik hat eine ganz andere Patientenklientel. Früher hatten viele im Ort ein bis zwei Zimmer vermietet und damit das Gesamtpotenzial abgedeckt. Die meisten davon werden mittlerweile privat genutzt. Als die Kurpatienten früher alle zwei, drei Jahre für mehrere Wochen blieben, war Bad Salzhausen auf Rosen gebettet. Die Kostendämpfungsreform hat jedoch mehr oder weniger den Todesstoß bewirkt. Die Frage ist: Was macht die Stadt, um das Thema Kur wieder aufleben zu lassen?

Wie sehen Sie die Zukunft des Kurbades?

Es ist ein Blick in die Glaskugel. Herr Eberhard sagt, es wird alles gut. Etwas anderes darf er natürlich nicht sagen.

Mit dem Areal am Landgrafenteich der Firma Lupp und dem Wohngebiet West der Stadt Nidda gibt es zwei große Baugebiete. Verträgt sich das?

Von der Größe werden sie wohl ähnlich sein. So wie ich das sehe, ist die Firma Lupp etwas schneller in der Entwicklung, zudem werden sie wohl selbst vermarkten. Ich weiß nicht, ob die Stadt für die 90 Wohneinheiten im Wohngebiet West genügend Interessenten finden wird. Die Grundstücke haben 300 und 400 Quadratmeter. Rechnet man mit rund 200 Euro pro Quadratmeter, ist ein Bauherr schnell bei rund 500 000 Euro für ein Häuschen. Wer eine solche Summe investiert, will das auch kurzfristig realisiert haben.

Mit den Baugebieten würde die Einwohnerzahl Bad Salzhausens in die Höhe schnellen…

Wir haben rund 600 Einwohner, von denen circa 200 bis 250 in den Seniorenheimen leben. Mit den beiden Baugebieten nähern wir uns den 900 bis 1000 Einwohnern. Es fehlt schon jetzt an der Infrastruktur. Einkaufsmöglichkeiten gibt es in Bad Salzhausen keine mehr. Sie sind darauf angewiesen, nach Nidda zu fahren. Eine bestimmte Klientel hat damit schon ihr Problem. Junge Familien machen sich natürlich Gedanken, wo sie ihre Kinder unterbringen. Ich denke, dass der Kindergarten in Geiß-Nidda ausgebucht ist. Es wurde zwar gesagt, ›um die Infrastruktur kümmern wir uns‹. Auf das Ergebnis bin ich schon sehr gespannt.

Was macht Bad Salzhausen für jüngere Personen interessant?

Bad Salzhausen ist einer der größten Arbeitgeber der Großgemeinde. Die Arbeitsplätze liegen vor der Haustüre. Es ist besonders interessant für Ärzte oder Fachkräfte für den Pflegebereich. Dort werden händeringend Mitarbeiter gesucht. Physiotherapeuten werden ebenfalls gesucht. Es wurde immer wieder gesagt, ›wir machen die Therme dicht, weil der physiotherapeutische Bereich ein Zuschussbetrieb ist‹. Das ist schon erstaunlich. Jede private Physio-Praxis schreibt schwarze Zahlen. Es müsste jemand für Bad Salzhausen den Hut aufhaben. Jeder wurstelt vor sich hin, das große Ganze ist aus dem Blick geraten.

Die Mitglieder des Ortsbeirats befassen sich auch mit dem Bürgerhaus. Um was geht es genau?

Irgendwann wird die Pächterin Tilli Ziel das Bürgerhaus nicht mehr betreiben. Dann soll es verkauft werden. Es wäre schade, wenn das Bürgerhaus unter die Räder käme. Unsere Idee ist, vielleicht eine Genossenschaft zu gründen oder ein anderes Modell zu finden, um das Bürgerhaus als Treffpunkt für Bürger in das Wohngebiet West zu integrieren. Allerdings muss die Stadt dann auch ein wenig nachgeben, was den Preis anbelangt.

Mit dem Bürgerhaus ist es ähnlich wie mit der Therme. Es muss alles auf Vordermann gebracht werden und das kostet auch was.

Auch interessant

Kommentare