Hinter eines Baumes Rinde…
Gedichte wie das von der Made mit dem Kinde von Heinz Erhardt kennen viele Menschen in Deutschland eher auswendig als Schillers »Glocke« oder Goethes »Faust«. Der vielseitige Komiker erfreut sich auch posthum immer noch großer Beliebtheit. Wie viel Spaß es macht, »noch’n Gedicht« live zu erleben, merkten am Dienstagabend 450 Gäste in der Willi-Zinnkann-Halle in Büdingen.
Hans-Joachim Heist? Wer ist das? Das mag sich so mancher Humor-Fan im ersten Moment fragen, wenn der Name fällt. Beim Namen Gernot Hassknecht fällt der Groschen dagegen viel schneller. Der Schauspieler mit hessischen Wurzeln ist seit 2009 fester Bestandteil des Teams der »heute show« im ZDF.
Ja, na klar: Das ist doch der tobsüchtige kleine Mann, der immer so entsetzlich schreit, um seiner Wut über die Themen in dieser Welt Luft zu machen. Die Rolle des Gernot Hassknecht verkörpert der 1,62 Meter große Schauspieler Heist brillant unsympathisch. Die Figur ist aber erdacht, die Idee kam von Heist selbst. Er rannte damit vor etwa 14 Jahren bei Oliver Welke, dem Kopf und Moderator der »heute show«, und dessen Team offene Türen ein.
Doch weg von Hassknecht, zurück zum Schauspieler Hans-Joachim Heist, der einen ganz bestimmten, höchst echten Star bis zur Perfektion imitiert und damit seit Jahren Erfolge auf deutschen Bühnen feiert. So wie am Dienstagabend bei »Büdingen belesen« in der Willi-Zinnkann-Halle.
Heist hat alles drauf
Es ist Heinz Erhardt, deutscher Komiker der 50er und 60er Jahre. Der außer Witze zu erzählen so viel mehr zu bieten hatte. Er war Musiker und Komponist, Wortakrobat und Dichter, Kabarettist und Schauspieler. Und nach seinem Tod 1979 (Heinz Erhardt wurde 70 Jahre alt), lebten seine wunderbaren Wortspiele, Gedichte und Lieder weiter.
Hans-Joachim Heist hat sie alle drauf. Er bewies dem Publikum am Dienstagabend, dass er Erhardt ganz locker das Wasser und den Doornkaat reichen kann. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Schauspieler hatte zwar nur wenige Requisiten dabei, dafür aber ein besonders gehaltvolles Utensil: eine Flasche Schnaps, mit der er zum live gesungenen Erhardt-Klassiker »Wenn ich einmal traurig bin, trink ich einen Korn« über die Bühne tanzte.
Überhaupt die Körpersprache von Hans-Joachim Heist. Er imitiert Heinz Erhardt perfekt. Vom schelmischen Grinsen über den oft erhobenen Zeigefinger und das ständige Zurechtrücken der Hornbrille bis hin zum nervösen Nesteln an den Ärmeln des Jacketts. Unbeholfen kommt er rüber, bieder und ein bisschen trottelig. Genau das war aber die Masche von Heinz Erhardt, dem Meister der Wortverdrehungen und intelligenten Texte.
Apropos Intelligenz: Hans-Joachim Heist schlug perfekt den Bogen von der Erhardt-Geschichte über Columbus, der doch eigentlich nach Indien wollte, hin zu einem amerikanischen Ex-Präsidenten. Heist: »Columbus hätte, um Indien zu entdecken, bloß links abbiegen müssen. Stattdessen ist er rechts gefahren und kam in diesem schrecklichen Land an. Mit Halloween und Gruselclowns. Und einer davon ist doch tatsächlich Präsident geworden.« Schallendes Gelächter im Publikum.
Ein schönes Schlusswort
Heist feuerte alle Erhardt-Klassiker ab: die Made natürlich, den Erlkönig, Ritter Fips und Kunibert - eben alles, was Heinz-Erhardt-Fans so lieben. Besonders die kurzen, knackigen, zum Brüllen komischen Zweizeiler: »Wer Regenwurm mit Igel paart, hat danach viel Stacheldraht.« Hans-Joachim Heist interagierte zudem hervorragend mit dem Publikum und amüsierte sich über hiesige Ortsnamen: »Woher kommen Sie? Kaulstoß? Wenn ich wüsste, was das wäre, würde ich’s lustig finden.«
Übrigens: Was haben Loriot und Heinz Erhardt gemeinsam? Sie wechseln sich mit schöner, steter Regelmäßigkeit an der Spitze des »Spaß-Olymps« ab. Beide Komiker, beide Genies. Beide stehen in der Gunst der spaßhungrigen Menschen in Deutschland ganz oben. Und beide sind längst tot. Dazu Heist ironisch: »Daran sehen Sie, meine Damen und Herren, wie großartig die ganz lebendigen Comedians in unserem Land sind.« Und zur Autorin dieses Artikels gewandt: »Das schreiben Sie aber nicht.«
Doch. Hiermit geschehen. Danke, Hans-Joachim Heist, für den großartigen Heinz-Erhardt-Abend und dieses schöne Schlusswort.