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Holzskulpturen in der evangelischen Kirche Gedern werfen Fragen auf

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»Je nachdem, wie die Skulpturen platziert werden, wecken die unterschiedlichen Konstellationen verschiedene Emotionen«, sagt Stephan Guber. © Anja Carina Stevens

15 lebensgroße Holzfiguren werden die Kirchengemeinde Gedern in der nächsten Zeit begleiten. Künstler Stephan Guber über die Entstehung der Skulpturen und Berührungspunkte mit anderen Wissenschaften.

Es scheint, als lauschten Stephan Gubers Holzskulpturen mit geöffneten oder geschlossenen Augen den Menschen ringsum. Die versuchen, einen geeigneten Ort für die teils sitzenden, teils stehenden Figuren zu finden. Die religiösen Plastiken haben ihren festen Platz hinter dem Altar.

»Bisher erschienen in sakralen Räumen lediglich heilige Skulpturen. Jetzt taucht erstmals der alltägliche Mensch auf«, sagt Stephan Guber und hievt eine seiner 15 Figuren an eine neue Stelle. Seine hölzernen Menschen stehen in dem Gotteshaus mit den bunten runden Kirchenfenstern - und werfen Fragen in den Raum.

Stephan Guber befasst sich schon lange mit den großen Fragen des Menschen: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Warum sind wir hier? Das war nicht immer so. »Nach meinem Abitur hatte ich keine Ausbildung und ein abgebrochenes Studium. Ein dunkler Schleier legte sich über mich. Dieser lüftete sich, wenn ich künstlerisch arbeitete. Also tat ich mehr von dem, was mir guttat«, erklärt er.

Guber kommt ursprünglich aus der Malerei mit Erdpigmenten. In weiterer Folge zeichneten sich in seinen Bildern menschliche Gestaltformen ab. Langsam traten die Gestalten reliefartig erhaben hervor - und dann nach und nach aus den Zeichnungen heraus. Anfangs rudimentär und auf einem Sockel befestigt.

Existenzielle Fragen

Gubers heutige Figuren sind detailgetreu und stehen frei. Parallel dazu malte er weiter. Die hellen Bilder haben durch dunkle Kontraste etwas Kosmisches an sich und erinnern an Gubers erste Kindergartenzeichnung, die aus Sonne, Mond und Sternen bestand.

Die Skulpturen fertigt er aus Birke, Eiche, Kirsche, Linde und Pappel. Von der Motorsäge bis zum Zahnarztbohrer verwendet der Künstler verschiedene Werkzeuge, um aus dem Holz Menschen zu formen. Das bewerkstelligt er an seinem Waldarbeitsplatz und in seiner Werkstatt.

Ersterer ist für die Verarbeitung der großen Baumstämme vonnöten, letztere ist bei der anschließenden Arbeit hilfreich. Ein Lager neben dem Wohnhaus rundet sein Setup ab. Aber auch im Garten und im Haus sind zahlreiche Holzskulpturen zu finden, die zum Inventar gehören und den Evolutionsprozess der Figuren veranschaulichen.

Mit den immer menschlicher werdenden Skulpturen gingen existenzielle Fragen einher. »Die skulpturalen Artefakte waren immer schon Fußspuren der Menschheitsgeschichte. Somit kommen in der Kunst generell Überlegungen nach dem Sinn des Lebens zum Ausdruck«, erklärt Guber.

Bei seinen Figuren stehen neben philosophischen Aspekten auch psychologische Themen im Vordergrund. »Je nachdem, wie die Skulpturen platziert werden, wecken die unterschiedlichen Konstellationen verschiedene Emotionen. Das ähnelt einer Familienaufstellung, die - je nach Aufstellung der Personen - die Beziehungen der einzelnen Mitglieder zueinander beleuchtet«, schildert der Künstler.

Die Mimik der Holzskulpturen sei neutral, um einen größeren Spielraum zu haben. Außerdem schaffe ein grinsendes Gesicht in der Bildhauerei schnell etwas Groteskes. Nur durch die Positionierung und die Körperhaltung könnten Emotionen der in sich ruhend wirkenden Figuren dargestellt werden.

Verbindung zu aktuellen Themen

Die 15 Holzskulpturen reisen seit 2014 quer durch Deutschland, um in alten Fabrikgebäuden, Kirchen, Museen und Schulen »unter die Leute zu kommen«. Immer wieder werden auch aktuelle Themen mit den Figuren in Verbindung gebracht, sei es die sogenannte Flüchtlingskrise, die Corona-Pandemie oder der Kirchenstreik Maria 2.0, eine Bewegung katholischer Frauen zur Stärkung der Rolle der Frau in der katholischen Kirche.

»Man kann fast alles inszenieren. Gleichzeitig haben ich als Künstler und diejenigen, die die Skulpturen aufstellen, eine gewisse Verantwortung, weil das Arrangement bestimmte Gefühle wecken kann«, erläutert Stephan Guber.

Seit Kurzem sind die aus Eiche und Pappelholz geschaffenen Figuren in der evangelischen Kirchengemeinde Gedern zu Gast. Auch dort werden sich die lebensgroßen Skulpturen verselbstständigen und ihre eigenen Geschichten kreieren.

Stephan Guber (58) studierte von 1987 bis 1989 Kommunikationsdesign. Anschließend unternahm er eine Vielzahl an Studienreisen. 2007 erhielt er den Nassauer Kulturpreis für Malerei und 2010 für Kunst im freien Raum, außerdem den 1. Preis des Skulpturenparks Mörfelden/Walldorf. Er etablierte sich zu einer festen Größe bei Künstlersymposien. Seine Arbeiten sind in vielen öffentlichen und privaten Skulpturenparks zu sehen. Stephan Guber ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und zwei Enkelinnen.

Am kommenden Sonntag, 7. Mai, findet die Vernissage des Künstlers Stephan Guber in der evangelischen Kirche in Gedern statt. Beginn ist um 17 Uhr. Im Zentrum der Ausstellung stehen 15 lebensgroße Holzfiguren. Die Laudatio wird Rolf Hartmann, Vorsitzender der Dekanatssynode im evangelischen Dekanat Büdinger Land, halten. Volker Bilz und Herbert Vonhof sowie Edgar M. Böhlke gestalten die Eröffnung der Ausstellung musikalisch sowie literarisch. Stephan Guber wird bei der Vernissage anwesend sein. VON ANJA CARINA STEVENS

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