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Hospizvereine auf der Suche nach der eigenen Position

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Aktive der Hospizvereine sind zwar grundsätzlich nicht für pflegerische Aufgaben da. Selbstverständlich leisten sie aber alltägliche Dienste. SYMBOL © Imago Sportfotodienst GmbH

Der sogenannte »assistierte Suizid« wird in den Hospizvereinen der Region stark diskutiert - zumal es im Moment eine Gesetzeslücke gibt. Wie stehen Mitglieder und Engagierte des Vereins Lebensbegleitung Hospizhilfe Schotten-Nidda dazu?

Sowohl Angehörige betagter Patienten als auch Pflegekräfte sowie Menschen, die sich ehrenamtlich in Hospizvereinen engagieren, werden immer wieder mit Aussagen wie »Es ist genug. Ich will nicht mehr leben« konfrontiert. Der sogenannte »assistierte Suizid« wird in den Hospizvereinen der Region stark diskutiert - zumal es im Moment eine Gesetzeslücke gibt. Am 26. Februar 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht den bisherigen Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches, der die geschäftsmäßige Ausübung der Suizidbeihilfe unter Strafe gestellt hatte, für nichtig.

Sogenannte Sterbehilfe-Vereine, die Lebensmüden gegen Bezahlung tödlich wirkende Medikamente bereitstellen, könnten also im Moment in einer Gesetzeslücke agieren. Eine Neuregelung des Paragrafen ist zu erwarten, allerdings nicht in nächster Zeit. Vorgelegte parlamentarische und außerparlamentarische Gesetzentwürfe liegen noch weit auseinander.

»Die geschäftsmäßige Förderung des Suizids muss strafbar bleiben.« Darin sind sich die Aktiven Monika Bress, Barbara Krüger, Doris von Peschke und Annemarie Serrano-Stöhr, die Vorstände Marina Heinz und Bärbel Bär sowie Vorsitzender Dr. Peter Möser vom Verein Lebensbegleitung Hospizhilfe Schotten-Nidda einig.

Direkten Fragen nicht entziehen

Aber wer ehrenamtlich schwer kranke oder sterbende Menschen begleite, könne sich direkten Fragen nicht entziehen, wenn er sein Gegenüber ernst nehme. Ein Mitglied des Vereins berichtet: »Ich habe eine 97-Jährige in einer Senioreneinrichtung begleitet. Vertrauen hat sich aufgebaut. Sie war früher eine energische tatkräftige Frau und konnte sich nicht mit der Situation abfinden, bettlägerig und auf Hilfe des Pflegepersonals angewiesen zu sein. Sie hat mir direkt ins Gesicht geschaut, Auge in Auge, und hat mich gefragt: ›Ich möchte sterben dürfen. Was kann ich dafür tun?‹ Sie mit einer Ausrede abzuspeisen, wäre ein totaler Vertrauensbruch gewesen. Ich habe ihre Hände genommen und gesagt: ›Wenn du keine Nahrung mehr aufnimmst und die Medikamente bis auf Schmerzmittel absetzt, kann dein Leben schneller zu Ende gehen‹.«

Ganz gleich, ob sich Menschen aus ethischen oder Glaubensgründen in der Hospizhilfe engagieren - um die Suche nach der eigenen Position kommen sie nicht herum. Der Zwischenbericht »Suizidhilfe - Zum Umgang mit der zu erwartenden gesetzlichen Neuregelung des § 217 des StGB« der AG Medizinethik in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau bekennt sich ausdrücklich zur freien Entscheidung des Einzelnen - so lange grundlegende christliche Positionen nicht verlassen werden. »Werbende Angebote für Suizidhilfe dürfen auf keinen Fall stattfinden. Suizidprävention hat Vorrang. Anfragen nach Suizidhilfe werden nicht moralisch abgewertet, aber auch nicht unreflektiert als Handlungsaufträge umgesetzt«, heißt es dort.

Palliative Versorgung

Es gelte, Strukturen zu erhalten und weiterzuentwickeln, etwa eine gute palliative Versorgung, die auch Schwerkranken und Sterbenden noch ein »Ja zum Leben« ermöglichen.

Um dieses »Ja zum Leben«, aber auch um das Suchen nach Erleichterung für die Kranken drehen sich viele Gespräche unter den Aktiven der Lebensbegleitung Hospizhilfe Schotten-Nidda. Hört man als Außenstehender zu, schälen sich häufige Themen heraus.

Manche Menschen, die im Sterben liegen, können nur schwer loslassen, etwa weil ein Familienstreit mit den erwachsenen Kindern oder dem Ex-Partner schwelt und keine Aussprache stattfand. Es gehört wohl zu den berührenden Erlebnissen für Aktive in Hospizvereinen, wenn es doch noch zu einer solchen Aussprache kommt, die den Kranken erleichtert.

Körperliche Beschwerden können Patienten auch bei guter medizinischer und pflegerischer Versorgung im letzten Lebensabschnitt belasten. Zwar sind Aktive der Hospizvereine grundsätzlich nicht für pflegerische Aufgaben da. Selbstverständlich leisten sie aber alltägliche Dienste, sie unterstützen den Kranken, sich im Bett bequemer hinzulegen, sind ihm beim Trinken behilflich.

Viele konstruktive Angebote der Hospizhilfe werden deutlich: kleine Rituale, die sie mit dem Kranken entwickelt haben. Etwa aufmerksam zuzuhören, wenn er seine Lebenserinnerungen erzählt. Oder gemeinsam Musik zu hören.

Das sind alles nicht-medizinische Angebote - und doch können sie dem Kranken helfen, von seinen Schmerzen abgelenkt zu werden und sich als gut begleitet zu empfinden.

Grundsätzlich geht es in der Diskussion um den freiverantwortlichen Suizid, also nicht um den Todeswunsch in einer extremen Ausnahmesituation oder einer akuten Erkrankung, etwa einer Psychose. Tötung auf Verlangen und das Verabreichen einer tödlich wirkenden Substanz sind nach Paragraf 216 Strafgesetzbuch strafbar. Beim »assistierten Suizid«, dem Beschaffen einer tödlichen Substanz, die der Patient selbst einnimmt, besteht vorübergehend keine rechtliche Regelung. Nicht strafbar sind dagegen Therapiezieländerung und/oder die Begrenzung lebensverlängernder Maßnahmen (früher als »passive Sterbehilfe« bezeichnet), wenn die Patienten aufgeklärt sind und die Folgen der Ablehnung absehen können. Das Therapieziel »Lebensverlängerung« wird dann geändert in »Palliative Versorgung«. VON ELFRIEDE MARESCH

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