»Ich bin ein Glückskind«: Joachim Gutermuth ist der »Hochzeitspapst«

Viele Wetterauerinnen und Wetterauer kennen Joachim Gutermuth - denn einige von ihnen hat er als Standesbeamter getraut. Der 67-Jährige verrät, warum Florstadt ein beliebter Ort zum Heiraten ist.
Ach, was hab ich alles schon erlebt!«, sagt Joachim Gutermuth. Der 67-Jährige kann viele Geschichten erzählen. Denn als Standesbeamter der Stadt Florstadt hat er einiges erlebt. Lustiges - wie 15 Trauungen am 5. 5. 05, die erste gleich um 5.05 Uhr. Kurioses - wie eine Eheschließung, bei der die Polizei im Nebenzimmer sitzt und den Partner danach mitnimmt. Und viele Tränen. Meist Tränen des Glücks. Aber auch von weinenden Eltern, die finden, dass ihr Kind eine bessere Partie machen könnte.
Was Joachim Gutermuth von 1994 bis jetzt nie erlebt hat: Dass jemand Nein gesagt hat. Klar, sei auch schon einen Tag vorher abgesagt worden, weil die Oma gestorben sei. »War sie aber gar nicht«, sagt er. Im Vorgespräch sagt Gutermuth den Paaren: »Das Ja muss nach drei Sekunden kommen.« Aus den Allermeisten sprudelt es nur so heraus. Sie wollen so schnell wie möglich heiraten. »Es ist ein toller Job«, sagt er. Der gelernte Verwaltungsangestellte hat das Standesamt mal sein »Lieblingskind« genannt. »Man hat nur mit freudigen Menschen zu tun.«
Auch deshalb schließt er seit seiner Rente vor dreieinhalb Jahren noch Ehen in Florstadt. Als Mini-Jobber. Und weil Bürgermeister Herbert Unger ihn darum gebeten hat. Dass Gutermuth jetzt immer samstags traut, passt. War er es doch, der das Heiratsangebot ausgeweitet hat. »Die ersten Paare fragten damals: ›Geht’s auch samstags?‹«, erinnert sich Gutermuth. Und es ging. Seitdem hat er fast überall auf städtischem Gebiet getraut: auf Sportplätzen, im Wald, im Stadener Park. Und immer wieder im Stammheimer Schloss, in dessen Nähe er aufgewachsen ist. »Das Angebot nahm Fahrt auf, hat sich stark herumgesprochen.«
Gutermuth versteht seinen Job als Dienstleistung: »Ist doch klar, dass wir es so machen, wie und wo die Leute das wollen.« Für viele sei das Standesamt immer noch mit Regeln verbunden. »Freitags die letzte Eheschließung um 11 Uhr und so’n Zeug«, sagt Gutermuth. In Florstadt ist das anders. »Es gibt keinen Stress, das ist ein bisschen mein Fundament«, sagt der 67-Jährige.
Zwischen den Terminen für die Trauungen sind zwei Stunden eingeplant - für Sektempfang, Fotos und so weiter. »Die Leute erwarten viel wegen des Rufs«, sagt Gutermuth. »Aber ich hab mir noch nie Druck gemacht. Ich bin und war immer cool.« Mit der Ausweitung des Angebots auf Samstag - und in Absprache an Sonn- und Feiertagen - kamen aber auch kritische Stimmen. Dass andere Gemeinden es bald auch so machen müssten, sonst gingen alle nach Florstadt. »Ich habe nie Nein sagen können und auch nie Nein gesagt«, sagt er zum Thema Trauungen an bestimmten Tagen.
Gutermuth wird auch »Hochzeitspapst« genannt. Wo das herkommt, weiß er nicht genau. »Aber ich bilde mir nix darauf ein«, sagt er. Andere beschreiben ihn als locker, persönlich, einen Kumpeltyp. Ein Bauhofmitarbeiter habe mal zu ihm gesagt: »Mit dir kann man schwätze.« Für Gutermuth ist das das Wichtigste, gerade in der heutigen digitalen Zeit.
Tennis-Spiele und Trauungen
Wegen seines Jobs kenne ihn jeder, sagt er. In Bad Nauheim auf der Kerb zum Beispiel wurde er alle paar Meter angehalten: »Ach, Herr Gutermuth, wissen Sie noch damals...« Und er bleibt immer stehen, hält das Schwätzchen. Bis heute hat Gutermuth Kontakt zu Paaren, die er mal getraut hat. In seinem Büro hingen die Wände voll mit Bildern von Hochzeitspaaren, jetzt lagern sie im Keller des Hauses, das er 2000 gebaut hat.
Vorher hat er mit seiner Familie - der »Hochzeitspapst« ist seit 1979 verheiratet - in Wölfersheim gewohnt. Als es zu eng wurde, ging es zurück nach Florstadt. Bei einer Verlosung zog er ein Grundstück in Nieder-Florstadt, das idyllisch im Grünen liegt. »Ich bin ein Glückskind«, sagt Gutermuth, während er auf seiner Terrasse in der Sonne sitzt. Diese positive Grundeinstellung hat sich auch durch sein Berufsleben gezogen, sagt er.
Auch privat engagiert er sich für Menschen: ist Vorsitzender eines Fördervereins für Pflegeheime, in der Europa-Union aktiv und hilft mehreren Senioren. »Wenn man hier lebt, muss man auch etwas zurückgeben«, findet Joachim Gutermuth. Er spielt Tennis, war lange Vorsitzender des TC Florstadt. Die Spiele sind oft samstags. »Morgens kann ich spielen«, sagt er seinen Mitstreitern manchmal. »Nur mittags kann ich nicht, da muss ich verheiraten.«