»Ich war sehr gerne Landpfarrer«

Ein Pfarrer, der mit einem alten Trecker über die Feldwege fährt, sich Hühner anschafft und auch sonst aktiv am Dorfleben teilnimmt, da meint man doch, er wäre im Ort angekommen. Joachim Sylla erzählt, warum er trotzdem Abschied von »seinen« Kirchengemeinden Bingenheim, Gettenau und Leidhecken nimmt.
Nach sieben Jahren gibt Joachim Sylla seinen Pfarrdienst in den Kirchengemeinden Bingenheim, Gettenau und Leidhecken auf. Er wird künftig im »Evangelischen Büro Hessen am Sitz der Landesregierung in Wiesbaden« arbeiten und dort die Interessen der Diakonie gegenüber der Politik einbringen.
»Der Abschied fällt mir nicht leicht«, sagt Sylla. »Ich bin wirklich sehr gerne Landpfarrer gewesen und habe die Zeit hier sehr genossen.« Das dörfliche Leben, die Natur und vor allem die Menschen schätze er. Außerdem habe er ein Faible für die Landwirtschaft. »Den schönen Pfarrgarten und natürlich meine Hühner werde ich sehr vermissen. Aber wie es im Leben so ist, kommt es manchmal anders, als man gedacht und geplant hat.«
Seine Frau trat bereits im September 2021 eine neue Stelle in Frankfurt an: Pfarrerin Alrun Kopelke ist nun Referentin im Zentrum Verkündigung der EKHN. Ihm selbst habe sich nun die Chance geboten, »mich beruflich weiterzuentwickeln und meine früheren Erfahrungen als Betriebswirt und Vorstandsreferent bei der Diakonie einzubringen«. Doch: »Meine Zeit hier in meinen Kirchengemeinden gehört zu den schönsten und reichsten beruflichen wie persönlichen Erfahrungen bisher.«
Auf die Frage, was er in den Pfarrgemeinden bewirkt hat, antwortet Sylla: »Gemeinsam ist es uns gelungen, unsere Kirchengemeinden zukunftsfähig zu machen.« 2021 ist eine Arbeitsgemeinschaft zusammen mit den Kirchengemeinden Echzell und Bisses gegründet worden - diese Pfarrstelle hatte Syllas Frau inne; danach hat er deren Vakanzvertretung übernommen. »Wir arbeiten in allen wichtigen Themen sehr eng zusammen und sind organisatorisch gut aufgestellt für die anstehenden Veränderungen der kirchlichen Landschaft.«
Mittlerweile biete man in der Region viele verschiedene Gottesdienstformen von klassisch bis modern an, die unterschiedliche Zugänge zu Glauben und Spiritualität eröffneten. Zudem gibt es seit 2020 eine Männergruppe.
Die Konfirmanden- und Jugendarbeit habe ihm sehr am Herzen gelegen, sagt Sylla. Erstmals seien in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zwei FSJlerinnen beschäftigt worden, von denen eine nun als Jugendmitarbeiterin angestellt ist. »Viele Jugendliche bleiben nach der Konfirmation der Gemeinde als ehrenamtliche Mitarbeiter verbunden«, freut sich der Pfarrer.
Kirche als Kraftort in jeder Lebenslage
In den vergangenen sieben Jahren im Gemeindedienst sei auch die Zusammenarbeit mit den Vereinen intensiviert worden. So werde etwa seit 2018 der Erntedankgottesdienst in Bingenheim gemeinsam mit der Lebensgemeinschaft und dem Geflügelzuchtverein gestaltet. Der Kerbgottesdienst fand im vergangenen Jahr zusammen mit dem KSV auf dem Sportplatz statt. »Und in Leidhecken feierte ich Gottesdienste mit dem Obst- und Gartenbauverein sowie auf dem Reiterhof Stelz«, blickt Sylla zurück. Ein Highlight sei 2017 der Luthermarkt in Echzell gewesen. Auf Initiative der Kirchengemeinden und der SPD sei 2019 außerdem der Verein EhE (Echzeller helfen Echzellern) gegründet worden.
»Insgesamt hoffe ich, dazu beigetragen zu haben, dass Kirche vor Ort modern und anschlussfähig ist, auch für die jüngere und mittlere Generation, ein Anlaufpunkt und Kraftort für alle Menschen in jeder Lebenslage und eine Bereicherung für unser Gemeinwesen«, fasst Sylla zusammen.
Von seiner Zeit als Gemeindepfarrer nehme er mit, dass Kirche, gerade auf dem Land, weiterhin gefragt sei. »Es besteht nach wie vor großer Bedarf an zeitgemäßen Angeboten zu Glaube und Spiritualität.« Es sei eine reiche Erfahrung gewesen, Menschen in verschiedenen Lebenssituationen in Freud und Leid begleiten zu dürfen.
Er habe viele tolle Persönlichkeiten kennengelernt, die sich mit viel Engagement ehrenamtlich eingebracht hätten. »Diese Erfahrungen werden mich den Rest meines Lebens begleiten.« Zurück lasse er ein hohes Arbeitspensum und wenig Freizeit. Fast jeder Abend, jedes Wochenende sei mit Terminen belegt gewesen. »Da kommt man irgendwann an seine Grenzen, und auch das Familienleben bleibt auf der Strecke.« Auch seine Hühner werde er nicht mitnehmen - für sie habe er bereits ein neues Zuhause gefunden.