Im »Funkenflug« durch 30 Jahre Künstlertätigkeit

Ein offenes Haus bot die Künstlerin Ulrike Obenauer am Wochenende allen Interessierten in ihrer Werkstatt in Bleichenbach. In einer Werkschau bilanzierte sie drei Jahrzehnte künstlerischen Wirkens.
Z wei Anlässe - 30 Jahre »Metallenes« und 25 Jahre Arbeit in ihrer Bleichenbacher Werkstatt - hatte Bildhauerin und Wetterauer Kulturpreisträgerin Ulrike Obenauer zu feiern. Das geschah unter dem Motto »Funkenflug« zusammen mit einem großen freundschaftlich-künstlerischen Netzwerk, darunter auch Laura Ute Melzer, die mit dem Titel »Gefoil« einen Arbeitsbogen vorstellte: Aus Tonfiguren entstanden »sprechende« Bildmontagen, die pfiffig-hintersinnige Dialektbotschaften an Betrachterinnen und Betrachter richteten.
Musikalische Akzente setzte das Odeon Orchestrion mit Jürgen Vogt (Klarinette), Birgit Lusky (Geige), Ronka Nickel (Cello), Monika Maurer (Akkordeon) und Reinhold Melzer (Kontrabass) in einem beschwingten Mix aus Klezmer, Tango, Chansons und mehr.
Zu einem offenen Haus im wahrsten Sinne des Wortes hieß Obenauer willkommen und dankte allen, die sie dabei unterstützten. Nachbarn, Freunde, künstlerisch Aktive unterschiedlicher Themenfelder oder Arbeitspartner, wie etwa Mitglieder des Vereins Kunst-Projekt Bad Salzhausen, wo Obenauer zweimal mit Werken an Symposien teilnahm, waren gekommen. Die Gäste nutzten die Einladung zu einem Rundgang, der zugleich eine Begegnung mit dem vielseitigen Schaffen Obenauers bot: mit grafischen Arbeiten ebenso wie mit solchen aus Metall, Holz und mit kreativen und kunsthandwerklich beeindruckenden Formen des Upcycling. Obenauers Werkstatt und Atelier waren früher ein landwirtschaftlicher Markt und haben einen Hauch von Schlichtheit und Zweckmäßigkeit behalten - ein guter, ruhiger Rahmen für ihre Arbeiten.
Neues Leben aus Resten
Doch zuvor hatte Ronka Nickel die Arbeit beider Künstlerinnen im Sinne einer Laudatio dargestellt. Auch Nickel ist Teil des produktiven künstlerischen Netzwerks, hat mit Obernauer und Melzer vor einigen Jahren am Text- und Bildprojekt »Heimat« mitgearbeitet, das viel Beachtung fand. Für Obenauer trug sie einen Text vor, den Friedhelm Häring, Kunsthistoriker, langjähriger Museumsdirektor in Gießen und der Metallbildhauerin freundschaftlich verbunden, verfasst hatte. »Obenauers Objekte sind Platzhalter für neues Leben, geschaffen aus Resten, Abgefallenem des lebendigen Alltags«, lautete die Anfangszeile. Häring sieht Janusköpfigkeit in Obenauers Schaffen. Sie nehme Ausgemustertes als Ausgangsmaterial: alte Bleche, Leinwände, Nägel und Hölzer. Zugleich werde aus Gefundenem und Abgenutztem, Schrott und Abfall durch überzeugende Gestaltungsideen kreativ Neues. Genannt wurden filigrane Lampenschirme aus Elektrodrähten, Masken aus Drahtgitter, Schalen aus alten lackierten Blechen oder auch minimalistische Abschnitte aus demselben Material, die wie rätselhafte Gesichter, wie Wesen aus Märchen oder Träumen wirken. In der Sprachverbundenheit mancher Objekte Obenauers sieht Häring Brücken zum Dadaismus, jener interdisziplinären kulturkritischen Lebensform und Strömung, dem Boden, aus dem etwa die Arbeiten Hans Arps oder Marcel Duchamps erwuchsen.
Zugleich hebt Häring das Kommunikative an Obenauers Arbeiten hervor: »Im Umgang mit ihrer Kunst spüren wir besonders, dass ein Kunstwerk nicht irgendwo abgestellt sein möchte, nicht im Abseits an einer Wand hängen will. Es sucht das Gespräch, will unsere Antwort, fragt, wer wir sind. Damit verwandelt Ulrike Obernauer gleichzeitig auch die Betrachterinnen und Betrachter.«
Eine treffende Laudatio: Obenauers Einladung in das offene Haus war locker, gastfreundlich, machte in jedem Raum auf den nächsten neugierig. Hier fehlte der angestrengte Vernissagen-Tiefsinn, die elitären Botschaften an den Rest der Welt. Besuchergruppen waren in intensivem Gespräch, tauschten sich aus, freuten sich an Obenauers Verwandlungskunst: Aus dem Stamm eines alten Obstbaums mit rauer Rinde entstand eine dynamisch geschwungene Figur mit schöner Maserung, ein Handschmeichel-Objekt. Aus abgestoßenen unscheinbaren Blechen machte sie Buchstaben und Botschaften: »Lach doch!« Und immer wieder Musik: Am Sonntag klang das offene Treffen mit gemeinsamem Singen aus.
