Im Kettenhemd bis Rommelhausen

Auf genagelten Ledersohlen, mit Kettenhemd und je 30 Kilo Marschgepäck brechen Tommes Rute und seine Freunde an der Donau auf. Von Regensburg aus wollen die Legionssoldaten den Limes inspizieren - bis Neuwied am Rhein. Doch sie müssen das Projekt »Limesmarsch 2023« abbrechen. Am Wachtturm bei Rommelhausen bereiten die Limeshainer der erschöpften Truppe trotzdem einen großen Empfang.
Zu acht waren sie Ende Juli aufgebrochen. In römischer Legionärstracht zog die Gruppe am römischen Grenzwall zu Germanien entlang. Tommes Rute, ein 26-jähriger Musikschullehrer aus dem Saarland, hatte 2020 die Idee. Per Facebook fand er weitere Leute, die mit ihm in der Militärkluft des Jahres 200 auf Limespatrouille gehen wollten. Michael Höller zum Beispiel. »Ich habe dafür 800 Kilometer trainiert«, sagte der Straßenbauer aus Regensburg. Fünf Wochen seines Urlaubs habe er für den Marsch investiert. »Mich lockte die sportliche Herausforderung.«
Dann kam der Regen. Rute: »Wenn wir abends ins Contubernium (röm. Mannschaftszelt, Anm. d. Red.) krochen, mussten wir erstmal unsere Tuniken auswringen.« Die Füße bekamen in den nassen Lederschuhen ohne Fußbett Blasen. »Du musst dann einfach weiterlaufen und darfst nicht stehenbleiben«, sagte Höller. Auch wenn verblüffte Spaziergänger die Patrouille ausfragten, was sie bei Regen und Kälte im Wald treibe. »Jeder Tag war ogreidig (anstrengend)«, sagt Höller. »Der Limesweg war auch nicht immer optimal. Manchmal mussten wir uns mit den Schwertern durch meterhohes Gras schlagen.«
Vindeliker und Grundschüler
Tobias Nettekoven war dabei. »Wir versuchten, das nasse Gras zu meiden«, sagte der 37-jährige Werbeagentur-Betreiber aus Bonn. Also wichen die Legionäre immer wieder auf den asphaltierten Limes-Radweg aus. Der aber die Füße malträtierte und die Tagesmärsche auf bis zu 35 Kilometer verlängerte. Nach zwei Wochen erreichte die Gruppe die Stadt Aalen. Der größte Teil reiste da ab. Nur noch Tommes, Michael und Tobias blieben dabei, legten aber eine Pausenwoche ein. »Als es wieder losging«, sagte Tommes, »merkte ich, dass sich meine Füße noch nicht genug erholt hatten.« Trotzdem - weiter. Auch bei 30 Grad im Kettenhemd. Bis Rommelhausen.
Dort machte die Truppe Schluss. Es fehlte einfach am Logistik-Personal für den Zeltbau, die Verpflegung, die Kommunikation mit den Eingeborenen und der Internet-Gemeinde. Am Dienstag reiste Tommes allein im Auto noch zum Kastell Echzell. Erst zum Schluss der geplanten Tour am 1. September ist dann die ganze Patrouille am Endpunkt in Rheinbrohl versammelt.
In Großkrotzenburg verbrachte die Gruppe von Sonntag auf Montag die vorletzte gemeinsame Nacht. Dort am Main empfing sie die 4. Vindelikerkohorte - eine Reenactmentgruppe aus Frauen und Männern, die immer wieder in antike Gewänder schlüpft. »Wir sind die Betriebskampfgruppe des Kastells Großkrotzenburg. Wir schützen die römische Ziegelei«, sagte Cernunnos - ein riesenhafter Germane mit Langspieß, Wollhose und Umhang über dem nackten Oberkörper. Auch viele Einheimische gehörten zur gut 30 000-köpfigen Grenztruppe am Limes.
Am letzten Marschtag begleitete der Vindeliker Nicolas Beißer die drei Langläufer persönlich nach Rommelhausen. Und holte sich ebenfalls Blasen. Die anderen Vindeliker kamen direkt zum Empfang an den Wachtturm. »Attendite!«, brüllte einer von ihnen, als gegen 14 Uhr die Uniformen der vier Legionäre zwischen den Baumstämmen aufblinkten. Da nahmen auch Landrat Jan Weckler, Bürgermeister Adolf Ludwig und der Kreisarchäologe Jörg Lindenthal Haltung an.
Eine Kompanie Grundschulkinder aus Limeshain stellte sich mit Pappschilden und Papierhelmen in Position. »Achtung: Schildkrötenformation!«, befahl ein Dreikäsehoch, fand aber keinen Gehorsam. »Tolle Sache«, sagte der Landrat zur Limespatrouille. »Mein Respekt vor Ihrer Leistung«, ergänzte Bürgermeister Ludwig. »Ich hab lukanische Würste für euch«, verkündete die Germanin Lykke. Die Frau im grünen Leinenkleid heißt Stine Kockrick, arbeitet in der Gemeindebücherei und im Vorstand des Limeshainer Geschichts- und Heimatvereins. Dessen gute Geister sorgten am Wachtturm für eine Mobiltoilette, gebratene Würste und Hummus-Brote.
Als sich das Empfangskomitee allmählich verzogen hatte, legten die schwitzenden Legionäre schließlich ihre Ausrüstung ab, setzten sich auf einen Baumstamm und öffneten ihr Römer-Pils. Man konnte es förmlich zischen hören.
