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In Gottes Liebe aufgehoben

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Von: red Redaktion

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Tanja Langer © pv

Manchmal hören wir Lieder, Gedichte oder Zitate und nehmen sie bloß zur Kenntnis. Manchmal aber machen sie etwas mit uns oder in uns. So ging es mir kürzlich mit Leonard Cohens Song »Anthem«. In dem heißt es: »There’s a crack in everything, that’s how the light gets in.« Das meint so viel wie, dass es in allem Risse gibt, aber erst durch sie kann das Licht hereinscheinen.

Am Totensonntag oder auch Ewigkeitssonntag gedenken wir im Gottesdienst der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres. Vielen trauernden Angehörigen ist dieser Tag sehr wichtig. Er bietet den Raum, sich anders als in der Trauerfeier, mit ein wenig Abstand zu erinnern, sich anders auf den Schmerz einzulassen, der mit dem Abschied einhergeht. Es tut sehr weh, einen Menschen hergeben zu müssen, den man liebt und mit dem man - oft ein Leben lang - verbunden war. Viele Trauernde berichten davon, dass sie sich »unvollkommen« fühlen.

Genau über die Unvollkommenheit spricht Cohen in seinem Lied. In dunklen Zeiten gewinnen Poesie und Musik oft an Bedeutung, da sie uns die Art von Transzendenz vermitteln, die wir brauchen, um schmerzhafte Ereignisse in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Cohen singt davon, dass keiner von uns perfekt ist und keiner ein perfektes Leben führt. Nicht in der Partnerschaft, nicht im Job, nicht mal in der Liebe zu Gott sind wir perfekt. Nein, alles hat Risse, ist unvollkommen. Es geht um die Konfrontation mit der Zerbrochenheit der Dinge.

Das zeigt der Totensonntag sehr deutlich. Trauernde fühlen sich »zerbrochen«, sind »gebrochen«. Sie haben Risse dazu bekommen. Und trotz aller Trauer, trotz Dunkelheit, die sie fühlen, kommt genau an diesen Stellen das Licht herein. Keine Finsternis ist so geschlossen, dass nichts durchdringen kann. In jeder dunklen Wirklichkeit gibt es einen Riss, an dem sich die Dinge ändern können. Da ist die Auferstehung, da ist die Rückkehr, da ist die Umkehr. Dafür steht Jesus Christus ein. Er hat uns eine Tür zu Gott aufgemacht, die niemand mehr schließen kann. Durch die Risse kann das göttliche Licht in uns hineinscheinen. »There’s a crack in everything, that’s how the light gets in.« So vertraue ich darauf, dass wir im Leben und im Sterben in Gottes Liebe aufgehoben sind. Das gibt mir und hoffentlich vielen Trost an Tagen wie morgen.

Tanja Langer ist Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Eckartshausen. FOTO: RED

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