In Niddas Stadtbibliothek wird man vom Konsumenten zum Akteur

Niddas Stadtbibliothek erfreut sich einiger Beliebtheit. Damit dies so bleibt, lassen sich Leiterin Kathleen Kmetsch und ihr Team einiges einfallen, aktuell eine Neuauflage der Schreibwerkstatt.
E ine Wiederbelebung der Schreibwerkstatt in der besonderen Variante »Biografisches Schreiben« möchte die Leiterin der Stadtbibliothek Nidda, Kathleen Kmetsch, anregen und lädt sowohl erfahrene Teilnehmer als auch neue Interessierte zu einem Treffen am Mittwoch, 22. Februar, um 15 Uhr in der Bibliothek ein.
Wie arbeitet eine Schreibwerkstatt, welche Erfahrungen gibt es schon in der Bibliothek? Vor Jahren schlug Nutzerin Waltraut Merz die Gründung einer solchen Gruppe vor. In Kooperation mit Kathleen Kmetsch kam diese in der Stadtbibliothek zustande. Interessierte zwischen 50 und 80 Jahren nahmen teil. »Die Interessierten nutzten die Möglichkeit, aus ihren Erfahrungen und Gedanken eigene Geschichten zu entwickeln. Es ging schreibend um kreative Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte. Durch verschiedene Arbeitsschritte, wie Formulieren, Niederschreiben und Austausch über das Geschriebene entwickelten sich viele persönliche Texte«, schildert Kmetsch das Konzept »Biografisches Schreiben« und die damalige Entwicklung.
Eigenen Textband herausgegeben
Germanistin Gothild Thomas, die schon vor Jahren in Gedern eine solche Gruppe gründete, begleitete in Nidda die Endredaktion zur Herausgabe des Buchs mit ausgewählten Schreibwerkstatt-Texten. Sie kann also beide Gruppen vergleichen: »Die Gederner Gruppe pflegt auch freies und anekdotisches Erzählen und hat inzwischen zehn Textbände herausgegeben. Die Niddaer setzen sich mehr biografisch mit der Vergangenheit auseinander, mit dem Neuanfang in der Nachkriegszeit, den Wirtschaftswunderjahren und Kindheitserlebnissen«. Und Kmetsch weiß: »Solche Schreibwerkstätten wecken die Lust am Erzählen, steigern sie. Im Gespräch den Blick auf Zeit und Leben zu richten, von einander zu lernen, macht die Faszination aus.«
Das kommt dem Konzept des Hauses entgegen, das Kathleen Kmetsch engagiert vertritt: »Die Bibliothek soll kultureller Treffpunkt der Generationen im Sozialraum Nidda sein.« So gründeten Nutzer 2016 den Förderverein Stadtbibliothek mit Lothar Schelenz als Vorsitzendem. Von Infoständen bei Stadtfesten bis zu Lesungen bereichern eine Reihe von Veranstaltungen das Bibliotheksangebot. Seit 2005 findet monatlich das von Hildegard Schneider, der jetzigen Seniorenbeauftragten, initiierte Literaturcafé statt. Anregend sind die Buchvorstellungen durch Kathleen Kmetsch oder eine Ehrenamtliche, doch mehr noch die Diskussionen, die sich so ergeben.
Kreative Nachmittage für Kinder sind Standard in Oberhessens Kommunalbibliotheken - auch hier. Darüber hinaus plant man demnächst ein Projekt mit der Otto-Dönges-Schule. Vier Klassen schreiben dann mit Autor Christian Seltmann (»Kommissar Ping und das Kaugummi-Geheimnis«) ein Erstlesebuch. Und mit Gemeindeschwester Sandra Frank (Sozialstation) gibt es die Aktion »Ein Koffer geht auf Reisen«. Damit ist gesichert, dass pflegebedürftige Senioren Buchwünsche aus der Bibliothek erhalten.
»Sehr dankbar sind wir für die Mitarbeit unserer sieben Ehrenamtlichen. Aber wir könnten noch mehr Mithelfende brauchen«, sagt Kmetsch. Einzelschritte digitaler Entwicklung, etwa die selbstständige digitale Ausleihe, wirken sich schon arbeitssparend aus. Ein digitales Gesamtkonzept ist in Planung. Die Umsetzung werde zunächst viel Arbeit machen, bringe aber langfristig große Vorteile.
Bibliothek künftig im alten Finanzamt?
Bauliche Mängel machen sich in der Arbeit unangenehm bemerkbar. Es fehlt ein größerer Raum, etwa für Lesungen. Dafür und für jede einzelne Führung muss man umräumen. »Wir haben häufig Besuch von Kita- und Vorschulgruppen. Allein von Januar bis März haben wir auf diese Art 150 Kinder zu Gast - und jedes Mal Räumerei«, berichtet Kmetsch. Eng ist es auch im Literaturcafé. Generell gibt es Feuchtigkeitsschäden im Haus. »Für all diese Schwierigkeiten hoffen wir im Interesse unserer Nutzer auf Lösungen«, betont Kathleen Kmetsch. Angedacht als Zukunftslösung hat man etwa schon den Umzug ins alte Finanzamt, wenn die Behörde ihren Neubau bezogen hat. Allerdings ist das Gebäude an der Stadtmauer für viele ein Stück Alt-Nidda und ohne Bibliothek nicht denkbar.
Erfreulicherweise ist die Corona-Delle, der Ausleihenrückgang, seit Monaten überwunden. Kmetsch: »Wir hatten 2022 insgesamt 10 000 Mehrfach- und Einzelbesucher und über 50 000 Ausleihen. Bei Familien leihen auf einen Ausweis oft mehrere Mitglieder aus - unsere Arbeit geht in die Breite.«
