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Jakob Schwerdtfegers Spiel mit den Wörtern

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»Spannungsreichtum bei linearer Simplizität« - Schwerdtfeger beschreibt seinen Mikrofonständer. © Elfriede Maresch

Zum ersten Mal gibt es bei der Finissage einen Auftritt eines Kunst-Comedians. Der jongliert mit Kalauern, reimt, was das Zeug hält.

Bad Salzhausen (em). Feierabendstimmung lag über der Finissage zum Abschluss des 7. Werkforums des Vereins Kunst-Projekt. Der Vereinsvorsitzende Matthias Weidmann sprach von erfreulicher Publikumsresonanz, auch an den Wochentagen. Anregende Begegnung mit Interessierten habe auch Nadine Elda Rosani gehabt, die im Park an einer Holzskulptur arbeitete. Dazu eine kleine Novität: Zum ersten Mal gab es beim Abschluss den Auftritt eines Kunst-Comedians.

Auch ein Insider stand da auf der Parksaalbühne. Kunstgeschichte habe er studiert und vier Jahre als Kunstpädagoge im Frankfurter Städel- Museum gearbeitet, bekannte Jakob Schwerdtfeger - und beantwortete den Moment der Verblüffung, des an dieser Stelle absolut fehlenden Beifalls aus dem Publikum mit einem unerschütterlichen »Danke!« Wer sich zum Beruf des Kunsthistorikers bekenne, dem schlage meist eine Mischung aus Respekt und Verachtung entgegen - Respekt, weil Kunst ja eng verbunden sei mit »Bildung«, aber auch mit Unverständnis und dem Gefühl »Kunst ist elitär - also nichts für mich« - daher die Verachtung.

Fluchtinstinkt folgt Bildungspflicht

Hart ist Schwerdtfegers Vergleich mit den amerikanischen Hotdog-Wettessern (72 Stück pro Minute), die man ebenfalls mit einer Mischung aus Abscheu und - »Das ist ne Leistung!« - kopfschüttelnd auf sich wirken lässt. Kombiniert mit Büchern wie »Kunst für Kids - 13 Stile, die Du kennen solltest« oder bei Erwachsenen »1001 Meisterwerke, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist« - diese drohend über Publikumsköpfen schwebende Bildungspflicht wecke in den Zuhörern eher Fluchtinstinkte…

Schwerdtfeger ist nicht nur in den Epochen der Kunstgeschichte zu Hause, sondern hat sich für den Auftritt bei Poetry-Slams den Zweitnahmen Jey Jey Klünderling gegeben und es bis zur Teilnahme an nationale Meisterschaften gebracht. Als Rapper war er bei der Battlemania Champions League dabei.

Im Parksaal stellte er unter Beweis, dass er das Spiel mit Wörtern und Reimen noch auf die Spitze treiben kann: als Free Style Rapper nämlich. »Ich geh nicht zum Dealer und trink kein Tequila…« - das war nur ein schwacher Vorgeschmack. Denn das Finissagenpublikum nahm Schwerdtfegers Herausforderung an und rief ihm Worte zu, die auch einen kreativen Reimer in die Knie zwingen können: »Waschbrettbauch, Pokemon, Wellenbrecher, Rotwein, Kettensäge, Splatter…«. In Sekundenschnelle knüpfte Schwerdtfeger daraus Reime zwischen Sinnhaftem und Abstrusem: »Eines Tags werd ich tot sein. Doch bis dahin trink ich Rotwein«. Eine Zuhörerin wollte im Nachgespräch die Reime gern in Wiederholung hören. Schwerdtfeger musste passen: »Ich reime im Hier und Jetzt, ich kann mir das alles auf die Länge nicht merken…« So betrachtet ist ein Poetry-Slammer, der noch seine Verse feilen und vorbereiten kann, besser dran. Und zugleich hat Schwerdtfegers Free Style Rap mit seinen Kombinationen, die nur im Moment zu hören sind und dann wie Seifenblasen im Wind zergehen, etwas Faszinierendes.

Buntes Kaleidoskop der Kunst

Mit derselben Eleganz jongliert der Comedian auch mit Kalauern. Ein Sarg mit »Carpe Diem«-Inschrift? Ein bisschen einsam - lieber ein Pärchensarg und da bietet sich doch »Nimm zwei« als Schriftband an.

»Machst Du beruflich auch was Richtiges?«, werde er oft gefragt, berichtet Schwerdtfeger. Und selbstironisch berichtet er von Begegnungen mit alten Kumpels, von denen 50 Prozent steil auf der Erfolgsleiter hochgestiegen sind: »Richtig welche, die es zu kidnappen lohnt!« Eher melancholisch zitiert er den Spruch eines Freundes: »Ü30 - da fängt die Phase der geplatzten Träume an«.

Und Schwerdtfeger bietet ein buntes Kaleidoskop rund um den Kunstbetrieb. Da ist der harte Job an der Museumskasse, wo man den Blick in die Besucherbücher unbedingt vermeiden sollte: »Der Besuch in ihrem Museum war eine unzumutbare Zumutung!« Die Aufgaben in der Museumsaufsicht sind nicht unbedingt reizvoller. Schwerdtfeger zitiert seinen Freund Jussuf: »Auf Kunst aufpassen ist wie warten auf den Bus. Nur es kommt keiner.«

Da sind die Profis der Theorie und des Schlau-Daherlaberns. Schwerdtfeger zeigt, dass er das auch kann, entdeckt bei seinen Mikrofonständer »Spannungsreichtum voll linearer Simplizität, existenzialistischen Wagemut beim Ragen in den leeren Raum und eine tiefgängige Kreuzsymbolik«. Und die Künstler selbst? »Sie zeigen uns, die Welt anders anzugucken.« Und so verweist Schwerdtfeger auf Duchamps« Ready-mades, auf Banksys widerspenstige Kunstwerke und macht eine raue Liebeserklärung: »Kunst ist geil!«

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