»Jeder Apfel ist ein Geschenk«

Die Lust an der Arbeit im Freien und die Abwechslung übers Jahr gesehen sind wichtige Faktoren, weshalb Ortenbergs Obst- und Gartenbauvereinschef Johannes Naumann sein Hobby so liebt.
S chon als Kind liebte der heute 57-jährige Johannes Naumann Äpfel und Kirschen, hat nicht selten beide im Übermaß verzehrt. Die davon hervorgerufenen Malaisen haben den Vorsitzenden des Obst- und Gartenbauvereins Ortenberg aber nicht davon abgehalten, eine Menge seiner Freizeit »Hanita«, »Kaiser Wilhelm«, dem »Boskopp« oder dem »Gravensteiner« zu widmen.
Er hegt und pflegt sie alle. Doch unter seinen zahlreichen Apfelbäumen hat Naumann einen persönlichen Favoriten: den Scharlachroten Gascoynes. Der Kulturapfel, der den Namen seines ersten Züchters Gascoyne trägt, kam um 1880 nach Deutschland. Johannes Naumann schätzt das feste Fleisch seiner Frucht, sein leichtes Parfümaroma und »dass man ihn nirgends kaufen kann. Egal, wie viele Äpfel der Baum trägt, jeder ist ein Geschenk.«
Das ganz Jahr über beschäftigt
Ein Blick aufs Handy und Johannes Naumann sieht das von ihm erstellte Kataster seiner Obstbäume vor sich. 67 sind es allein auf der Parzelle am Hang im »Unteren Taubenloch«. Jedes der Rosenholzgewächse ist beschildert und vor Wildverbiss geschützt. Den »Nachwuchs« in seiner kleinen Baumschule umgibt zudem ein Zaun. Nach der Blüte im Frühjahr nach Frostschäden sehen, im Sommer die Wiese zwischen den Bäumen mähen, zu dicht gewachsene Früchte ausdünnen, im Herbst die Äpfel ernten, pressen, keltern. »Ich werde schon öfter darauf angesprochen, warum ich hier so viel Arbeit reinstecke.« Die Antwort des Studiendirektors an der Berufsschule Butzbach, Abteilung Landwirtschaft, lautet stets: »Weil ich es liebe, draußen zu sein und das ganze Jahr über immer wieder anderes zu tun zu haben.«
Zudem wäre da noch der »Lohn« für die Mühe: Marmeladen, Säfte, Apfelwein - und edle Obstbrände. Johannes Naumann ist beim Finanzamt als sogenannter Stoffbesitzer gemeldet, kann seine Früchte zum Brennen anliefern. Nicht nur für den »Schnaps«, sondern schon für Apfelsaft oder -wein legt er, wie alle seine Kollegen und Kolleginnen vom Vorstand im Obst- und Gartenbauverein Ortenberg, Wert darauf, »dass wir nur qualitativ hochwertige Früchte anliefern. Die Äpfel, die ich zum Keltern bringe, haben den Boden nicht berührt. Sie kommen nicht in einen Sack, sondern sind auch bei der Anlieferung noch an der frischen Luft«. Sind sie zu Hochprozentigem veredelt, sollte man sie »auf keinen Fall kalt, sondern mindestens bei Raumtemperatur trinken. Auch nicht in einem Stamperl, sondern in einem Schwenker, um ihr Aroma voll entfalten zu können«.
Vorteile des Lehmbodens
Dass die Obstbäume im »Unteren Taubenloch« bislang wenig unter der Hitze gelitten haben, führt Johannes Naumann auf den dortigen Lehmboden zurück. So schwer dieser bei Neuanpflanzungen ist - »der bleibt am Spaten hängen« -, so dankenswert ist er im nunmehr dritten Jahr lang andauernder, hoher Sommertemperaturen mit viel zu wenig Regen. »Ich musste bislang nicht gießen.«
Für manchen Obstbaumbesitzer im heimischen Garten stellt sich die Situation anders dar. Übervoll hängen Äste mit Äpfeln, Pflaumen und Zwetschgen. Doch jeden Tag werden es weniger. Die Bäume werfen Früchte ab. Da liegt die Vermutung nahe: Das ist der Hitze geschuldet. Doch diese sei es nicht allein. Allerdings schwächt sie die Bäume und begünstigt somit den Befall mit Schädlingen, etwa dem Monilia-Pilz bei Pflaumen. In vielen steckt zudem im wahrsten Sinne der Wurm. Etwa der des Apfelwicklers im »Geheimrat Doktor Oldenburg« oder im »Himbacher Grüner«. Es ist die Raupe des Schmetterlings Cydia pomonella, die es sich hier gut gehen lässt. Johannes Naumann rät, soweit man an die Früchte kommt, »zu nahe wachsende Äpfel per Hand auszudünnen.« Für eine Neuanpflanzung von Apfelbäumen hat er mit Blick auf den Klimawandel noch einen weiteren Tipp: Sorten auszuwählen, die tief Wurzeln schlagen, damit weit ins Erdreich eindringen und somit besser an die Bodenwasserreserven gelangen. Vor allem: die Bäume fachgerecht zu schneiden. Bei ihm sind in den nächsten Wochen die Kirschen dran.
Naumann wird an dem Abend schon von seinen Mitstreitern im Vorstand des Obst- und Gartenbauvereins zur Sitzung erwartet. Mit einer guten Nachricht: Zum 40-jährigen Bestehen in diesem Jahr hatte der Verein seinen Mitgliedern ein besonderes Angebot gemacht: eine Sammelbestellung von Obstbäumen zu einem günstigen Preis. 167 Mitglieder hat der Verein, über 130 Setzlinge hat man geordert. Geliefert werden sie am 11. November.