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Jugendliche mit klarem Appell: Nicht wegschauen - Unrecht anklagen

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Jugendliche der Klasse 10 a der Alteburgschule gestalten die Gedenkstunde zur Reichspogromnacht. © Detlef Maresch

Gute Tradition ist es, dass Jugendliche die Gedenkstunde zur Reichspogromnacht am Mahnmal im Johanniterpark in Nidda aus ihrem Blickwinkel mitgestalten.

Nidda (det). Gute Tradition ist es, dass Jugendliche die Gedenkstunde zur Reichspogromnacht am Mahnmal im Johanniterpark aus ihrem Blickwinkel mitgestalten. Diese Aufgabe hatte jetzt die Klasse 10 a der Alteburgschule mit ihrer Lehrerin Fadime Öksüz übernommen.

Niddas Bürgermeister Thorsten Eberhard begrüßte eine große Gruppe am Mahnmal, darunter Mitglieder der städtischen Gremien, der Kirchen und der Vereine. Gedenkfeiern wie diese seien wichtiger denn je, betonte er. In der Ukraine tobe ein grausamer Krieg. Rassismus, Ausgrenzung von Minderheiten gebe es in vielen Ländern. Auch in Deutschland gelte es, dagegen anzukämpfen, das Gedenken an Unrecht, das im Land begangen wurde, wachzuhalten. Er erinnerte an das Jubiläum des Jüdischen Museums Nidda. Bei der Feierstunde war unter anderem das Schicksal der jüdischen Krankenschwester Ilse Weber Thema. Nach Theresienstadt deportiert, pflegte sie dort kranke Kinder. Als diese nach Auschwitz transportiert wurden, ging sie bewusst mit ihnen den Weg in die Gaskammer. Ein Beispiel von Menschlichkeit in einem unmenschlichen System - das habe ihn sehr berührt, so Eberhard.

Parallelen zur Gegenwart

»Gedenken heißt erinnern«, stellten die Schülerinnen und Schüler als Motto über die Texte, die sie abwechselnd vortrugen: »Erinnerungen an die Reichspogromnacht vor 77 Jahren führen uns vor Augen, wohin Antisemitismus, Rassismus und Gewalt führen können: zu Leid, Trauer und Tod.« Die Jugendlichen blieben nicht bei der Vergangenheit stehen: »Auch heute werden Menschen verfolgt, getötet oder müssen ihre Heimat verlassen, um zu überleben. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan oder anderen Ländern. Leider werden sie nicht überall mit offenen Armen begrüßt.«

Die Widerstände gegen das Erinnern machte der Text einer 17-jährigen deutlich: »Erinnern - warum? Ich bin jung. Meine Zukunft liegt vor, nicht hinter mir. Ich will mich auf mein Leben freuen - unvorbelastet. Erinnern - warum?« Dem hielten die Sprecher ein Talmud-Zitat entgegen: »Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.«

Die Jugendlichen trugen unterschiedliche Erinnerungstexte an die Reichspogromnacht vor. Der damals zehnjährige Hannes Bienert konnte den plötzlichen Hass auf die Juden nicht verstehen. Günther Weisenborn, Schriftsteller und Widerstandskämpfer, schilderte Gejohle, Fensterklirren, Hilferufe, den Rauch der brennenden Synagogen. Der Niddaer Emanuel Eckstein erlebte nicht nur die Zerstörung seines Geschäftes 1938, sondern wurde bei einem Besuch in Nidda 1939 von aufgestachelten Jugendlichen mit Steinen beworfen und buchstäblich zu Tode gehetzt.

Lichter als Symbol der Erinnerung

Lichter als Symbol der Erinnerung: Die Jugendlichen verteilten Kerzen und lasen die Namen der aus Nidda deportierten und ermordeten jüdischen Familien vor. Sie schlossen mit einer dreifachen Aufforderung »Nicht wegschauen bei Gewalt und Ungerechtigkeit! Verantwortung wahrnehmen und danach handeln. An die Öffentlichkeit gehen und Unrecht anklagen!«

Mit der Niederlegung eines Gesteckes durch Bürgermeister Thorsten Eberhard und Niddas Stadtverordnetenvorsteherin Adelheid Spruck schloss die Gedenkstunde.

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