Freude über neue Mitbewohner

Nach Jahrzehnten brütet wieder ein Storchenpaar inmitten des Karbener Stadtgebietes im Ortsteil Klein-Karben. Für die Anwohner ist diese Wiederkehr der Störche nicht nur eine kleine Sensation. Sie steht zugleich für das Bemühen der Naturschützer, durch umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen entlang der Nidda und ihren Auenlandschaften wieder Lebensräume für diese imposanten Großsegler geschaffen zu haben.
Zuckerwürfel haben Moses Mrohs und Antonio Gurliaccio nicht auf das Fensterbrett ihrer Zeidlerwerkstatt zur Bienenbotschaft in der Kirchgasse 25 in Klein-Karben gelegt. Denn nach altem Volksglauben soll dies die Störche anlocken und die Babys bringen. Gilt doch der Klapperstorch in vielen Sagen und Mythen als Glücksbringer und steht als Frühlingsbote symbolhaft für die Fruchtbarkeit des Lebens.
Wenn auch in der Kirchgasse kein Nachwuchs erwartet wird, so ist dennoch die Freude bei den beiden Bienen- und Naturschützern über den Einzug der neuen Mitbewohner hoch oben auf dem alten Schornstein des kleinen Gewerbeareals riesengroß. Erstmals seit Jahrzehnten hat dort ein Storchenpaar wieder ihr Domizil bezogen, was mit ausgiebigem Klappern über den Dächern Klein-Karbens kundgetan wird.
Fotos mit dem Handy
Mrohs ist über das Storchenpaar hellauf begeistert. Mit dem Smartphone dokumentiert er das Geschehen in luftiger Höhe, hält er akribisch den Nestbau, Anflug und das Paarungsverhalten der Adebare in kleinen Bildsequenzen fest. „Die streiten sich manchmal wie ein altes Ehepaar“, macht er seine Beobachtungen. Beim Nestbau müsse etwa geklärt werden, welches Stöckchen an welchem Platz eingeflochten werde. Ein minutenlanges Hin und Her habe die Prozedur begleitet, bis ein Kompromiss um den rechten Platz gefunden worden sei.
Doch nicht nur Ehezwistigkeiten bei der Wohnungseinrichtung hat Mrohs beobachtet. Jüngst seien drei weitere Störche aus heiterem Himmel angeflogen und hätten versucht, rabiat das Storchennest zu erobern. „Ein heftiger Luftkampf mit lautstarkem Klappern“, erinnert sich Mrohs, der dieses Geschehen „selbstverständlich per Smartphone fotografisch“ dokumentiert hat. Im kommenden Jahr will Mrohs eine eigene Kamera in unmittelbarer Nestnähe installieren.
Nicht immer geht es bei Adebars friedlich zu, erläutert Hans Hansen vom Naturschutzbund (Nabu) Karben. „Oft sind es erbitterte Kämpfe um Horste“, sagt Hansen, „die auch tödlich enden können.“ Das Storchennest im Ortskern war seit Jahrzehnten ein angestammter und privilegierter Platz für Störche und gehörte zum „selbstverständlichen Dorfbild“ in Klein-Karben. Aber unmittelbar nach der Nidda-Begradigung in den 1960er Jahren blieben die Störche aus. Hansen: „Die Nidda-Begradigung war zugleich der Tod der Wetterauer Störche.“
Umso erstaunlicher sei heute die positive Entwicklung der Storchenpopulation festzustellen, so Hansen. Heute brüteten wieder vier Paare in Karben. Mit den Horsten zwischen Ilbenstadt und Gronau zählt Hansen derzeit sieben Storchenpaare, die sich das Nahrungsangebot entlang der renaturierten Nidda und den weiteren geschützten Auen- und Wiesenflächen sowie den Neuanlagen von Feuchtbiotopen teilen müssen.
200 Gramm Futter täglich
Es sind nicht nur Frösche, die den Störchen als Hauptnahrung dienen. Mäuse und Ratten, Regenwürmer und kleine Schlangen, Eidechsen und Insekten gehören ebenfalls zum Speiseplan. Dabei werden mitunter Gelege von Bodenbrütern nicht verschont; kleine Junghasen ergänzen das Nahrungsangebot.
Etwa 80 Hektar geeignete Nahrungsfläche benötige ein Storchenpaar zur Aufzucht der Jungen, erläutert Hansen, wobei ein Nestling etwa 200 Gramm an täglicher Futtermenge benötige. Die Brutzeit dauere in der Regel je nach Witterung drei Wochen, erläutert Hansen. Die Nestlingszeit bis zum Zeitpunkt, wo der Nachwuchs flügge wird, dauert noch einmal vier Wochen. Die Anzahl des Geleges richte sich nach dem vorhandenen Nahrungsangeboten. „In fetten Jahren bis zu fünf Jungstörche.“
Als Kulturfolger des Menschen sieht man oft Störche zu Erntezeiten hinter Mähmaschinen und Pflügen her schreiten. Die aufgescheuchten Kleinsäuger, Insekten und Frösche bereichern dann den Speiseplan. Als Nahrungsopportunist verschmäht der Storch hierbei auch nicht Aas oder verendetes Kleinwild.