Hier bitte nur Muskelkraft!
Mit den ersten warmen Frühlingstagen zieht es die Radfahrer wieder hinaus ins Grüne. Massenverkehr ist dann auf den Radwegen angesagt. Inline-Skater, Fußgänger und Jogger teilen sich die schmalen Wege. Doch wer alles auf diesen Radwegen fahren darf und wer nicht, das erhitzt die Gemüter. Die Verkehrssicherheit wird vermehrt auf die Probe gestellt.
Die Wetterau verfügt über ein gut ausgebautes Radwegenetz. Etwa 1000 Kilometer sind derzeit ausschließlich den Radfahrern vorbehalten. Die zu 80 Prozent asphaltierten oder betonierten Wege bieten nicht nur eine exzellente Alternative zum täglichen Stau im Berufsverkehr. Sie erschließen zudem dem Tagestouristen per Fahrrad die Wetterau jenseits der Bankenmetropole Frankfurt.
Doch was vor einem Jahrzehnt noch eine mühselige Strampel-Tour war, gehört heute hinsichtlich der modernen Fahrradtechnik der Vergangenheit an. Das Zweiradgeschäft boomt und die Nachfrage besonders nach E-Bikes und Pedelecs ist unvermindert hoch. Vor allem ältere Menschen schätzen die Räder mit dem elektrischen Rückenwind. Aber der rasante Fahrspaß auf bisher vertrauten Radwegen kann jäh in einem Knöllchen enden. Denn so manches elektromobile Fahrrad gilt als versicherungspflichtiges Kleinkraftrad.
Wenn auch nach der Straßenverkehrsordnung seit 2013 Mofas und E-Bikes sowie Kleinkrafträdern erlaubt ist, außerhalb geschlossener Ortschaften Radwege zu befahren, „dann doch nur, wenn diese Fahrzeuge auf ebener Erde nicht mehr als 25 Stundenkilometer erreichen“, erläutert Polizeioberkommissar Eugen Bockmeier von der Friedberger Polizeidirektion. Diese Freigabe kann jedoch von den Verkehrsbehörden wieder durch das Verkehrsverbotszeichen 260 für Kraftfahrzeuge aller Art aufgehoben werden.
Mit den Kindern auf die B 3
Demnach haben Mofas, E-Bikes sowie die schnellen Pedelecs der S-Klasse mit bis zu 45 Stundenkilometern auf Radwegen nichts zu suchen. Sie müssen weiterhin bei fehlender Freigabe die Landstraße benutzen. Für viele elektromobile Pedaleure eine offenbar wenig bekannte Vorschrift, die Verunsicherung und oft Ärger hervorruft. So auch bei dem Rentner, der nicht namentlich genannt sein will, aus dem Bad Vilbeler Stadtteil Gronau. Seit vielen Jahren nimmt er das Fahrrad „nur für kurze Strecken“ nach Karben oder in die Vilbeler Innenstadt. Den Ausbau des Radweges entlang der Nidda begrüßt er ausdrücklich als „eine Verbesserung der einstigen Schotterstrecke.“ Jüngst hat er sich ein schnelles S-Pedelec zugelegt und als solches versichert. Doch der Fahrspaß ist ihm „gründlich vermiest“ worden. Denn seine jahrelange Haus-Strecke nach Karben darf er damit nicht mehr befahren. Unmissverständlich signalisiert ihm das Verkehrsverbotszeichen 260 am neuen Radweg in Höhe des Gronauer Hofes, dass die Weiterfahrt für Kraftfahrzeuge aller Art verboten ist. „Da blickt doch keine Sau mehr durch“, ringt der sportliche Rentner um Erkenntnisgewinn und radelt trotz Verbot weiter.
Vor demselben Problem steht auch der junge Familienvater aus Okarben. Im luftigen Kinderanhänger an seinem schnellen Pedelec sitzen zwei kleine Kinder. Die Durchfahrt des Gespanns entlang der Nidda zum Stadtzentrum ist ihm verboten, der Ausflug fürs Erste gestoppt. „Die haben doch ein Rad ab!“, schimpft er, der sich extra des Anhängers wegen ein kräftesparendes und flottes Pedelec gekauft hat.
„Muss ich jetzt mit den Kindern auf die B 3?“, fragt er erbost und fährt ebenfalls unter Missachtung des Fahrverbotes und mit nicht zitierfähigem Kommentar weiter. Doch hat der flotte Familienvater leider noch ein Problem: Die leichten Kinderanhänger sind an E-Bikes und S-Pedelecs nicht erlaubt. Worüber sich der Gronauer Rentner und der Familienvater aus Okarben ärgern, das erfreut die Vilbeler Grünen. Wenn auch die in Verkehrsfragen sonst so kritische Partei eine schnelle und kreuzungsfreie Radwegeverbindung von der Wetterau nach Frankfurt fordert, ist deren Vorsitzender Clemens Breest sicherheitshalber schon mal um eine Klarstellung bemüht: „Schnelle S-Pedelecs, E-Bikes und Mofas gehören als Kleinkrafträder nicht auf die Radwege.“ Die nach der Regel gegebene Möglichkeit zur Freigabe der Radwege für diese elektromobilen Zweiräder und Mofas bis zu 25 Stundenkilometer zieht er erst gar nicht in Betracht.
Fahrverbote sind möglich
Damit liegt der Grüne auf gleicher Linie mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) in Bad Vilbel. Dessen Vorsitzende Ute Gräber-Seißinger lehnt ebenfalls eine Mitbenutzung der außerörtlichen Radwege von E-Bikes und Mofas aus Verkehrssicherheitsgründen ab. Eine verkehrspolitische Fahrtrichtung, die vom ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork in einem Interview im Oktober 2016 vorgegeben ist: „Mit dem großen Geschwindigkeitsunterschied machen wir das kaputt, was Radinfrastruktur ausmacht.“
Ungeachtet dessen stellt der Pressesprecher des Wetteraukreises, Michael Elsaß, auf Anfrage klar: „Außerhalb geschlossener Ortschaften darf man mit Mofas und E-Bikes in der Wetterau die Radwege benutzen.“ Ute Kroiß vom Dezernat für Straßen- und Verkehrsangelegenheiten im Regierungspräsidium Darmstadt differenziert: „In begründeten Fällen kann es Mofas (und E-Bikes) auf stark frequentierten Streckenabschnitten untersagt werden, auf Radwegen zu fahren.“ Als Beispiel hebt sie den Niddaradweg und den Vulkanradweg im Wetteraukreis hervor. Eine generelle Freigabe laut Straßenverkehrsordnung gibt es auf Wetterauer Radwegen außerhalb von Ortschaften also nicht.