93 Wünsche von armen Karbenern erfüllen
Auf Weihnachtsgeschenke werden auch arme Karbener nicht verzichten müssen. Wohlhabendere Bürger können Präsente spenden. Die Wünsche zieren den Wunschweihnachtsbaum im Bürgerzentrum. Geschmückt haben ihn Kita-Kinder. Und diese sind beim Basteln ganz nachdenklich geworden.
Jaja, räumt Emma (6) ein. Das mit den Geschenken zu Weihnachten funktioniere schon ganz gut: „Ich bekomme immer das, was ich mir wünsche.“ Ihre Augen glitzern aufmerksam durch die große Brille. „Auch mein Bruder Tilli“ bekomme was er sich wünsche.
Dass es Kinder gibt, die nicht alle Wünsche erfüllt bekommen können, das weiß Emma auch. In ihrer Kita Märchenexpress in Groß-Karben haben sie und die anderen Kinder zwei Wochen lang besonderen Weihnachtsschmuck gebastelt.
Die grünen Anhänger aus Pappe in Weihnachtsbaumform sind auf der einen Seite ganz bunt und glitzernd geschmückt. Auf der anderen Seite enthalten sie aber einen nüchternen Aufdruck. Dort steht das Alter eines Karbener Einwohners, dessen Geschlecht und ein Geschenkewunsch. „Das ist für Kinder, die keine Geschenke gekauft bekommen können“, erklärt Emma.
93 Wünsche zieren nun den Karbener Wunschweihnachtsbaum. Dieser steht im Bürgerzentrum. Am Freitagvormittag schmücken die Kinder aus der „Bro’sis“-Gruppe der Kita die Tanne. „Für Brüder und Schwestern“ stehe dieser Name, erklärt Erzieherin Ekaterina Shiryaeva. Mit ihrer Kollegin Ann-Kathrin Kölsch hat sie mit den Kindern nicht nur gebastelt, sondern auch im Morgenkreis viel darüber gesprochen, dass es arme Familien und Kinder gibt, die nicht genießen, was für viele normal ist.
„Dieser Baum soll eine Botschaft sein, an Arme und soziale Ungleichheit zu denken“, sagt Jörg Astheimer. Er ist Vorsitzender der Bürgerstiftung „Unser Karben“, die sich der Aktion angenommen hat. In den vergangenen Jahren hatte der Verein „Karben hilft Karben“ den Wunschbaum aufgestellt. Doch mangels aktiver Mitglieder hatte sich der Verein auflösen müssen (diese Zeitung berichtete). „Das ist ein so tolles Projekt, das führen wir sehr gerne fort“, sagt Astheimer.
Feuer und Flamme für das Projekt ist auch Astrid Rüger. Sie kümmert sich im Fachdienst Soziales im Rathaus um jene Einwohner, die Hilfe benötigen – und hat die Wünsche der Bedürftigen zusammengetragen. „Sie können sich einfach nichts zusätzlich leisten.“ Unterm Weihnachtsbaum bleibe es bei armen Menschen oft leer. Was besonders für die Kinder schrecklich sei.
Junge (11): Longboard
Die Wünsche zu erfahren, war für Rüger viel Arbeit. Wegen strenger werdender Datenschutzvorgaben kann sie nicht einfach auf Sozialhilfedaten des Kreises zurückgreifen, um zu erfahren, wer in Karben Hilfe nötig hat. So bat sie Kita-Erzieherinnen, bei Eltern nachzufragen, und bekam Hinweise aus Vereinen wie der Nachbarschaftshilfe „Herz und Hand“. „Ich komme aber nicht an alle heran, für die es schön wäre, auch ein Geschenk zu bekommen“, muss die Fachfrau einräumen.
Anonymisiert zieren nun die Wünsche die Anhänger. Ein Mädchen (4) hätte gerne einen rosa Puppenwagen. Ein Junge (11) freut sich über ein Longboard, „eventuell gebraucht“, falls es sonst zu teuer wird. Denn auf 40 Euro ist der Wert der Geschenke generell begrenzt. „Viele Spender packen aber noch ein paar Plätzchen oder Schokolade dazu“, weiß Astrid Rüger.
Von Kindern bis Senioren
Wenn Spender die Geschenke vorbeibringen und die Empfänger sie abholen, „dann sieht es in meinem Büro aus wie in einem Logistikzentrum“. Jenen Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, bringt Rüger die Geschenke auch vorbei. Die Helferin des Weihnachtsmanns.
Denn die Fachfrau hat den Empfängerkreis weit über die Kinder hinaus geöffnet. Eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern beispielsweise habe sich mit Wünschen für die drei Kleinen gemeldet und selbst nichts gewollt. Auf intensive Nachfrage erst bekam Astrid Rüger heraus, dass auch sie selbst sich freuen würde – über einen Drogerie-Gutschein.
Selbst die Wünsche von „älteren Herrschaften“ sind aufgeführt. Sie reichen von einem hübschen, nur bitte vegetarischen Präsentkorb bis hin zu jener Dame, die sich einen Friseurbesuch wünscht. „Sie hat nur ein Minimum an Taschengeld“, weiß die städtische Mitarbeiterin.
Und eine Frau (88) aus einem Karbener Stadtteil wünsche sich einen Gutschein für die Apotheke. Astrid Rüger muss schlucken, als sie das erzählt. „Da läuft es einem kalt den Rücken herunter.“