Friseure wollen nachhaltig arbeiten

Wenn Föne ständig laufen, Haare mit Shampoo gewaschen werden und Chemie in die Haare kommt, ist das alles andere als umweltfreundlich. Schon von Berufs wegen können Friseure also kaum nachhaltig arbeiten, könnte man meinen. Aber die Karbener Friseurmeisterin Tanja Kißner sagt. »Man kann an kleinen Schräubchen drehen.« Welche sind das genau in ihrem Salon in Klein-Karben?
Es ist keineswegs ein kleiner Betrieb in der Raiffeisenstraße in Klein-Karben, den Friseurmeisterin Tanja Kißner führt. Genau 14 Plätze gibt es in dem Damen- und Herren-Salon »Schönes Haar und mehr«. Wenn dort Hochbetrieb herrscht, ist es bisweilen laut, denn dann rauscht das Wasser, und die Föne laufen auf Hochtouren. Es wird also viel Energie verbraucht in den 43 Stunden, in denen der Salon pro Woche geöffnet ist. 172 Stunden pro Monat Betrieb - da kommt einiges zusammen an Wasser und Strom. Hinzu kommt jede Menge Müll, denn es fallen leere Shampoo-Flaschen ebenso wie Festigerdosen, Tuben, Sprayflaschen, Alufolie und auch die abgeschnittenen Haare an.
»Nachhaltigkeit ist ein schwieriges Thema in der Branche«, sagt Inhaberin Kißner. Dennoch habe sie darüber nachgedacht, wie man etwa den Energieverbrauch senken kann oder Abfälle dem Recycling oder einem guten Zweck zuführt. Und da ist sie auf verschiedene Ideen gekommen.
Luftsprudler und Solardach
Bei der Sanierung des ehemaligen Bankgebäudes im Jahr 2005 haben die Kißners bereits eine Wärmepumpe für die Warmwassererzeugung installiert. »Wir benötigen also jetzt schon seit Jahren weder Gas noch Öl, um das Wasser für den Salon zu erwärmen.« Ein weiteres Projekt will sie in diesem Jahr angehen. Auf dem Dach ihres Salons will sie eine Solaranlage installieren. Sie informiere sich gerade über verschiedene Konzepte. Gute Erfahrung habe sie bereits mit einer in ihrem Privathaus installierten Solaranlage gemacht. »Die läuft ganz überzeugend«, sagt sie.
Haare filtern Öl aus dem Wasser
Aktuell hat Tanja Kißner in alle Wasserhähne in ihrem Salon Luftsprudler eingebaut. Die Perlatoren reichern das Wasser mit Luft an und sorgen unter dem Strich für weniger Wasserverbrauch.
Zu diesen Energiesparmaßnahmen kommt ein weiteres Projekt hinzu. Der Salon habe schon immer den Abfall getrennt gesammelt. Aber nun wandern auch die Folien in eine separate Kiste, die für die Strähnchen in die Haare der Kundinnen eingearbeitet werden. »Die Folien werden gewaschen und in einer Box separat gesammelt.« Regelmäßig würden diese Folien abgeholt und zu neuen Aluteilen für die Autoindustrie verarbeitet.
INFO: Obermeisterin Sterle: Nachhaltigkeit hat an Bedeutung gewonnen
Die Obermeisterin der Friseurinnung Friedberg, Lena Sterle, betont, dass Nachhaltigkeit auch in der Friseurbranche in den letzten Jahren mehr an Bedeutung gewonnen habe. Saloninhaber, Teammitglieder und deren Gäste wünschen sich einen bewussten Umgang mit diesem Thema. Mülltrennung, Energiesparen und gewisse Abläufe seien als Standard definiert. Inhaber sorgen dafür, dass teilweise Ökostrom bezogen werde, der Salon mit LED-Leuchtmitteln, energiesparenden großen Geräten wie Waschmaschine, Trockner, Kühlschrank und Klimaanlagen sowie wassersparenden Aufsätzen für die Handbrausen an den Waschbecken ausgestattet sei. Diese Themen seien auch Teil der theoretischen Ausbildung in der Berufsschule. Zusätzlich gebe es durch die Digitalisierung elektronische Kassensysteme (Beleg per E-Mail), Lohnabrechnung (DATEV) und Datenaufnahme der Gäste an Tablets, die Möglichkeit Papier zu sparen.
Weiterhin spiele auch die Wahl von Friseurkosmetikherstellern eine große Rolle, die nachhaltige Verpackungen oder Refill-Lösungen anbieten, die natürliche oder auch vegane Inhaltsstoffe beinhalten und den Tierschutz und die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen. Es gebe seit ein paar Jahren spezielle Firmen, die Alu-Recycling anbieten und die Schnitthaare sammeln, um im Meer effektiv Öl- und Sonnencreme aufsaugen.
Sterle selbst betont, sie habe eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach und sei neben Hair-Help-The-Ocean noch bei Cut-Climate-Change. Hier werde in einem Fragebogen die CO2-Emission abgefragt. »Zum Beispiel, wie viele Mitarbeiter arbeiten im Salon, wie viele Kilometer haben sie pro Tag zur Arbeit und mit welchem Verkehrsmittel tun sie das.« Durch einen gewissen Beitrag würden in Deutschland und Österreich im »Friseurwald« Bäume gepflanzt und ein Wasserkraftwerk in Indonesien unterstützt. »Somit werden solche Friseursalons klimapositiv«, so Sterle. pe
Das neueste Projekt ist aber eines, das in der Branche noch nicht allen bekannt sein dürfte. In der gesamten Wetterau gibt es bislang nur acht Friseursalons, die sich daran beteiligen. Es geht um das Projekt »Hair help the Oceans«. Wer auf der Internetseite des Vereins schaut, bekommt Informationen darüber, was dort genau passiert. Gegründet wurde der Verein von Emidio Gaudioso vom Salon »Emidio XSESSO Hair« in Bückeburg und Thomas Keitel, Inhaber der Unternehmensberatung »Modern Coaching« bei Würzburg. Man wolle »auf natürliche und logische Weise der Natur Gutes tun«. Pro Monat spende man für jeden Partnersalon einen Euro an die Befreiung des Meeres vom Plastik. »Weiterhin möchten wir Gelder investieren in Forschung und Entwicklung für eigene Systeme der Aufbereitung.«
Das Projekt funktioniert in der praktischen Anwendung so: In den angeschlossenen Salons werden die Haar-Reste gesammelt und einmal im Monat abgeholt.
Damit sparen die Salons Unmengen an Restmüll, denn genau dorthin sind die Haare bislang gewandert. Kißner weiß., was mit den Haaren danach passiert: »Die werden zu einem Filter verarbeitet und filtern das Öl aus dem Wasser.« Den Filter hat der französische Friseur Thierry Grass erfunden. Denn Haare können Fette, Öl und Benzin aufnehmen. Auch solche, die durch den Menschen in die Gewässer gelangen. So baute er einen Filter aus zusammengebundenen Haarrollen. Die in den Salons abgeschnittenen Haare werden in alte Nylonstrümpfe gestopft. Sie sind waschbar und lassen sich bis zu acht Mal wiederverwenden.
Auch der Salon in Klein-Karben macht mit. 25 Euro zahlt Tanja Kißner dafür an den Verein. Der holt die Kartons mit den abgeschnittenen Haaren bei ihr ab und stellt neue Boxen auf.
»Das ist eine ganz tolle Sache«, sagt die Friseurmeisterin. Und der Verein berichtet regelmäßig von den Aktionen.
Auch in anderen Salons in der Wetterau machen sich die Inhaberinnen und Inhaber Gedanken darüber, wie sie die Umwelt weniger belasten können. Dazu hat die Obermeisterin der Friseurinnung mit Saloninhabern gesprochen und eine Stellungnahme abgegeben (siehe Box).