Führung durch eine der ältesten Kirchen

Die kleine St.-Martins-Kirche in Petterweil hat im Laufe der Jahrhunderte viele Stürme über sich ergehen lassen. Einer, der darüber viel zu berichten weiß, ist der seit 1966 in Petterweil wohnende Horst Preißer. Nach langer Corona-Pause nimmter am Sonntag, 19. März, um 11 Uhr seine Kirchenführungen wieder auf.
Karben (jwn). Die St.-Martins-Kirche zählt zu den ältesten Kirchen der Wetterau mit einer lebhaften Historie über viele Jahrhunderte, wie der 84-jährige Preißer zu berichten weiß.
Eine erste Kapelle wurde an dieser Stelle um das Jahr 800 errichtet. Allerdings gibt es Anlass zur Vermutung, dass die Christen in der Umgebung bereits davor in einer Art Holzkirche ihre Gottesdienste abhielten. Im Besitz des Klosters Fulda diente sie im 9. Jahrhundert dann auch als Taufkapelle für die benachbarten Orte Okarben und Kloppenheim.
Um 1200/1250 wurde die Kapelle durch einen im romanischen Stil errichteten Bau ersetzt. Aus dieser Zeit stammt auch das sich an der Westseite befindliche, mittlerweile aber überputzte Rundbogenportal sowie das noch heute erhaltene Weihwasserbecken. Mit der Reformation wurden das Dorf und mit ihm die Kirche evangelisch. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Kirche zweimal fast vollständig zerstört. Erst 1653 machten sich die Einwohner an den Wiederaufbau. In Erinnerung an den Vorgängerbau wurde sie als Saalkirche, ähnlich einer Basilika, wiedererrichtet. Seither erfuhr die Kirche zahlreiche bauliche Veränderungen.
Trockenheit Problem für die Fundamente
Der heutige Ostteil steht noch auf den alten Fundamenten, wie Kirchenvorstand Preißer weiter zu berichten weiß. Diese Fundamente sind nur 80 bis 90 Zentimeter tief im Boden und nicht nur wegen der heutigen Verkehrsbelastung ein großes Problem, sondern auch wegen der Trockenheit in den vergangenen Jahren. Dadurch hat sich der Grundwasserspiegel abgesenkt und mit ihm teilweise auch das Kirchenfundament, wie die Risse in der Mauer deutlich zeigen. Auch viele Umbauten und Zerstörungen in Kriegszeiten haben deutliche Spuren hinterlassen.
Ein erster größerer Umbau erfolgte 1585. Dabei wurde die Seitentür an der Südwand eingefügt, speziell für die Herrschaften von Solms-Ysenburg, später Hessen-Darmstadt. Dieser Eingang wurde 1893 zugemauert, ist jedoch von der Südseite her noch sichtbar. Der Nordeingang war für die Herrschaften von Sayn, Solms-Lich und Laubach und ab 1607 Solms-Rödelheim gebaut worden. Über eine eigene Geschichte verfügt auch der kleine Kirchturm. Er wurde erst während des Umbaus Ende des 16. Jahrhunderts auf das Dach aufgebaut. Er bestand aus Holz und war mit Schiefer verkleidet. Weil er sehr spitz zulief, wirkte er sehr hoch und gab der Kirche einen eher gotischen Anstrich. 1830 wurde der Turm durch einen Orkan beschädigt und drei Jahre später von einem Blitz getroffen und zerstört. Der neue Turm gleicht nun eher einem Dachreiter denn einem Kirchenturm. Trotzdem scheinen besonders die Glocken in ihm inzwischen auf großes Interesse zu stoßen, denn für die Führung am Sonntag hat sich bereits eine Gruppe Kinder angemeldet, die vor allem die Klöppel der Glocken nahe betrachten wollen. Auch dazu wird Preißer interessante Details mitteilen können.
Taufstein diente als Pferdetränke
Dasselbe gilt für das ehemaligen Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert. Es wurde 1785 aus der Kirche entfernt und sei danach seltsame Wege gegangen. So wurde es zunächst nach Bad Vilbel gebracht, um dort am Amtsgericht als Pferdetränke und Blumentrog zweckentfremdet zu werden. 1895 holten die Petterweiler diesen Taufstein wieder zurück ins Dorf. Seither steht er im Garten der Kirche und dient wieder der Taufe, wenn auch nicht mehr vollgefüllt mit dem ganzen Fassungsvermögen von rund 500 Litern Wasser, sondern nur noch mit einer kleinen Wasserschale.
Die Führung am Sonntag dauert zwischen 40 und 90 Minuten. »Das hängt ganz von den Fragen der Teilnehmer ab«, sagt Preißer und weist auf eine prall gefüllte Aktentasche mit Dokumenten und alten Unterlagen hin. »In dieser Tasche stecken sehr viele interessante Geschichten. Man muss mich nur fragen.«