Für zehn Liter Müll gibt’s einen Baum

Die Vermüllung im öffentlichen Raum ist ein ärgerliches Thema. Es gibt offensichtlich Menschen, die ihren Müll überall dort fallen lassen, wo sie sich gerade aufhalten. Und es gibt andere, die in ihrer Freizeit Natur, Straßen und Plätze wieder von den Hinterlassenschaften befreien. Zu den sich Kümmernden gehören die zehnjährige Emilia und ihre Familie in Klein-Karben.
E milia ist ein aufgewecktes Mädchen. Sie wohnt gern in Klein-Karben, fühlt sich in der Stadt an der Nidda, umgeben von Wiesen, Feldern und Wald, wohl. Enttäuscht war die Zehnjährige, als die jährlich stattfindende Müllsammelaktion an der Selzerbachschule während der Pandemie abgesagt werden musste.
»Den Müll darf man nicht liegen lassen«, sagte sich Emilia. Und sie hatte eine Idee, wie sie mithilfe ihrer Familie etwas gegen die Vermüllung in ihrer Stadt tun kann: Das Mädchen überredete ihren Bruder David (7) und ihre Eltern, Cornelia und Steffen Jannasch, mit ihr gemeinsam etwas gegen den illegal entsorgten Müll auf Grünflächen, Spielplätzen, entlang des Niddaradweges sowie rund um den Bahnhof und die Neue Mitte zu tun.
Zu den Themen, mit denen sich die Grundschülerinnen und Grundschüler regelmäßig beschäftigen, gehören unter anderem Umwelt, Klimawandel und Müllproblematik. Die Vermüllung der Meere und der Natur ist eine große Gefahr für Menschen und Tiere, weiß die Zehnjährige. Kinder wie Emilia gehen mit offenen Augen durch ihre Stadt. Dabei fällt ihnen immer wieder, der an vielen Stellen liegende Müll auf. Auch in ihrer Schule nutzen Mitschüler ihre Pausen oder Freistunden dazu, um den Schulhof von herumliegendem Müll zu befreien. »Sie gehen dann zum Hausmeister und holen sich Müllgreifer und Behälter.« Die Eltern finden, dass es »gut ist, wenn die Schulen ihre Schüler durch Aktionen wie die Müllsammelaktion für das Thema Müllproblematik sensibilisieren und diese regelmäßig durchführen«.
Durch die Initiative von Emilia verbindet ihre Familie seit eineinhalb Jahren zweimal im Monat ihren Spaziergang mit dem Einsammeln von Müll aller Art. Das ehrenamtliche Müllsammel-Team ist in Klein- und Groß-Karben - ausgerüstet mit Greifzangen, Beuteln und Handwagen - unterwegs. Lange suchen muss das Quartett nie. Immer stapeln sich schnell auf ihrem Handwagen volle Müllsäcke.
Bis zu 120 Liter Müll pro Monat gesammelt
Zu den »Fundstücken« der Familie gehören Masken, Feucht- und Papiertaschentücher, Bonbonpapier und -tüten, Zigarettenstummel, Kronkorken, Dosen, Flaschen, Plastiktüten, Fast-Food-Behälter, Pizzakartons, Aluschalen und Hundekottüten. »Bereits gefunden haben wir auch schon einmal zwei Wagenheber, einen Rasenmäher, Säcke voller Kleidung und Badablagen«, berichtet Steffen Jannasch.
Teils würden halbe Haushalte in Parks, Wäldern und an Uferböschungen abgeladen. Im Fachjargon bezeichnet man das Phänomen als »Littering«. Erklärt wird es unter anderem mit der Theorie des »broken window«. Das heißt, dass eine Art Mitmacheffekt im Schlechten entsteht, wenn bereits an einem Ort illegal Müll abgelagert wurde.
Die Eheleute Jannasch freuen sich über das Umweltbewusstsein und Engagement ihrer Kinder. Und diese sich immer, wenn sie Pfandflaschen oder Dosen finden. »Das Pfand wandert dann in ihre Spardosen«, berichtet Cornelia Jannasch. Und auf die Bitte von ihrer Tochter hin, haben sie die Baumpflanz-Aktion von Emilias Klassenkameraden Lenny Kraut einen Monat lang unterstützt. Immer, wenn Emilia und David zehn Liter Müll gesammelt hatten, spendete ihr Vater ihnen den Gegenwert von einem Baum für Lennys geplanten Eichen-Edellaubwald mit bis zu 8000 Bäumen. »Unsere Kinder haben auf den Spaziergängen im November 180 Liter Müll gesammelt. Ich habe dafür 80 Euro auf das Spendenkonto des Aufforstungsprojektes überwiesen.«
Im Durchschnitt sammelt die Familie zwischen 60 bis 120 Liter Müll pro Monat ein. Der Vater meldet den Mitarbeitern im Bauhof Karben, wenn alle Müllsäcke voll sind. Die Mitarbeiter holen sie dann bei der Familie ab. Als David ihnen berichtete, dass er Probleme mit seinem schwergängigen und unhandlichen Müllgreifer hat, stellte der Bauhof ihm und seiner Schwester je einen guten, handlichen Müllgreifer zur Verfügung. Darüber freuten sich alle sehr.
Der Vater sagt: »Es wäre schön, wenn die Leute ihren Müll ordnungsgemäß entsorgen würden.« Seiner Ansicht nach fehlen Papierkörbe rund um das Bahnhofsareal, in der Neuen Mitte und auf den Zuwegen ins neue Stadtzentrum.
Bäume spenden. Wer wie Emilia und ihre Familie das Aufforstungsprojekt im Klein-Karbener Wald unterstützten möchte, kann unter dem Betreff »Lennys Baumspende« einen Geldbetrag überweisen: Die IBAN dafür lautet: DE69 5185 0079 0110 0000 30.