Bustür vor der Nase geschlossen

Respekt und Geduld sind nötig für ein gutes Zusammenleben. Beides hat eine junge Mutter vermisst, als sie in Karben mit dem Bus fahren wollte. Nun fragt die Nigerianerin: Ist sie hier willkommen?
Nicht immer zählt jede Sekunde im Leben. Manchmal ist es besser, abzuwarten und den Zeiger der Uhr einfach ein bisschen weiterticken zu lassen. Vermutlich hätte sich an jenem Freitagmorgen an der Busstation in Groß-Karben niemand daran gestört. Schlimmstenfalls wäre der Bus etwas später in Burg-Gräfenrode angekommen. Aber alle Personen hätten einsteigen können. Auch die Mutter mit ihrem 16 Monate alten Sohn auf dem Arm. Doch dazu kam es nicht.
Ihren Namen möchte die Afrikanerin in der Öffentlichkeit nicht preisgeben, ein Foto schon gar nicht. Sie hat Angst, erkannt zu werden und dann vielleicht Probleme zu bekommen. Sie berichtet von dem schlechten Gefühl in öffentlichen Verkehrsmitteln. Über die Angst vor Anfeindungen, die sie kaum noch vor die Tür gehen lässt. Seit diesem kalten Januarmorgen sei alles nur noch schlimmer geworden, sagt sie.
Für den Fahrer des in Burg-Gräfenrode beheimateten Busunternehmens möchte sie durch ihren Gang an die Öffentlichkeit keine Konsequenzen erwirken. »Aber jemand muss die Geschichte doch erzählen, damit auch die Menschen in Karben aufmerksam werden«, findet die gebürtige Nigerianerin. »Damit nicht andere Dunkelhäutige, andere Mütter mit Kindern dasselbe erleben müssen.«
Das Geschehen könnte geradewegs aus einer Fernsehdokumentation stammen: Zum zweiten Mal hatte sie sich aufgemacht, um mit ihrem Sohn ins Mütter- und Familienzentrum (MüZe) nach Burg-Gräfenrode zu fahren. Dort wollte sie beim Treffen von Müttern und Kindern Kontakte knüpfen, ihren Kleinen in eine Gruppe integrieren. Doch die Situation an der Bushaltestelle entwickelte sich aus ihrer Sicht zu einem Alptraum.
Noch während des Haltens wies sie der Fahrer auf die zu der Zeit noch geltende Maskenpflicht im Bus hin. »Überall, wo man eine Maske tragen muss, trage ich auch eine«, versichert sie. An diesem Morgen sei alles aber etwas schwierig gewesen. Ihr Sohn habe geschrien und sie selbst habe sich nicht ganz wohl gefühlt.
»Er gab mir noch nicht einmal drei Sekunden Zeit«, berichtet die Nigerianerin. »Bevor ich mit Maske und Kind auf dem Arm in den Bus einsteigen konnte, schloss er die Tür und fuhr los.«
Kurz unterbricht sie ihre Erzählung und zeigt ein Handyvideo aus dem Internet. Darauf ist fast dieselbe Situation zu sehen, nur in einer anderen deutschen Stadt. Es sei ihr größter Wunsch, ohne Angst vor Rassismus friedlich in Deutschland leben zu können. »Ich bin kein schlechterer Mensch, nur weil meine Hautfarbe schwarz ist.«
Bei einer guten Freundin aus der Nachbarschaft, einer Deutschen, findet sie Trost und Halt. Ihr Mann ist ebenfalls Deutscher. Trotzdem steht ihr Plan fest: »Ich möchte nicht für immer in Deutschland bleiben.«
Busunternehmen informiert die VGO
Das Busunternehmen in Burg-Gräfenrode zeigt sich von Anfang interessiert an der Aufklärung des Geschehens. Rassistische Beweggründe, die dem Busfahrer unterstellt werden könnten, weist die Geschäftsleitung strikt zurück. Ein klärendes Gespräch mit dem Busfahrer habe jedoch nicht geführt werden können, weil dieser im Urlaub gewesen sei, teilt die Inhaberin mit. Ihre Schwiegertochter, die ebenfalls im Betrieb tätig ist, hat inzwischen die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) eingeschaltet.
»Die Betroffene hätte bei der VGO eigentlich eine offizielle Beschwerde einreichen müssen. Das ist offensichtlich bis jetzt nicht geschehen«, antwortet sie auf Nachfrage dieser Zeitung.
»Das wäre der richtige Weg gewesen. Aber man muss auch sagen, dass nicht alles, was passiert, immer einen rassistischen Hintergrund hat.« Ihre Schwiegermutter äußert sich ganz ähnlich. Den Fahrer nimmt sie in Schutz. »Er hat selbst Kinder, ist an sich ein netter Mann. Ich kann mir so etwas von ihm eigentlich nicht vorstellen«, lässt sie wissen. Weitergehende Schritte dürften somit nicht zu erwarten sein.