Lernen auf der Streuobstwiese

Ein paar Tage im Jahr ist auf der Wiese beim Klein-Karbener Rosenhanges richtig was los. Dann verwandelt sich das mit Obstbäumen und Gräsern bewachsene Areal in eine Art grünes Klassenzimmer.
Die Idee zum Lernen direkt in der Natur, darf sich die Interessengemeinschaft (IG) Streuobst Karben ans Revers heften. Vorstandsmitglied Eckhard Neitzel schafft seit einigen Jahren die Rahmenbedingungen dafür. Auch in diesem Jahr sorgt er wieder für einen reibungslosen Ablauf. Reibungslos, naturnah und ein Stück weit unkonventionell verläuft auch der »Unterricht« von Britta Hirt. »Ich bin jetzt schon zum dritten Mal dabei«, sagt die Umweltpädagogin vom »Mainäppelhaus« am Frankfurter Lohrberg. »Es macht immer wieder Spaß, mit den Karbener Grundschulen zu arbeiten.« Ihre Lernmethoden sind kindgerecht und fördern gleichzeitig die Wahrnehmung im Einklang mit der Natur.
Wo alles kreuz und quer wachsen kann
Die 22 Kinder der Klasse 1c der Pestalozzischule Groß-Karben sollen sich zuerst Gedanken über den Begriff Streuobstwiese machen und ihn mit ihren eigenen Worten erklären. Britta Hirt hilft ihnen anschließend auf die Sprünge. Dabei rollt sie das Wort von hinten auf. Nach und nach wird den Jungen und Mädchen klar, dass eine solche Wiese nichts anderes als ein großes Durcheinander ist, wo alles kreuz und quer wachsen kann. Sieben Obstsorten gibt es an der Büdesheimer Straße: Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Quitten, Mispeln und Walnüsse.
Das Gras kann nach der Mahd zu Hause im Stall Verwendung finden. Den Charakter einer Streuobstwiese könne man gut am Vergleich mit einem Fußballrasen erkennen, erklärt die Pädagogin. Rasenplätze bestünden nur aus Gras und seien in der Regel akkurat gepflegt. »Wir befinden uns hier auf der größten gemischten Wiese der IG Streuobst in Karben«, fügt Eckhard Neitzel hinzu.
Und welche fantastischen Insekten man dort mit der Becherlupe fangen kann: Auf einer Wiese leben 3500 bis 4000 verschiedene Arten. Da wollen die Kinder natürlich so viele wie möglich finden und von Britta Hirt bestimmen lassen. Aber selbst die Expertin muss ab und an die mitgebrachte Fachliteratur bemühen, um die Wissbegierde der Erstklässler befriedigen zu können. »Alle Insekten kann ich nicht kennen«, räumt sie ein. Dennoch demonstriert sie den Kindern großes Wissen.
Schwebfliegen stechen nicht
Auf Schwebfliegen sollen die Kinder zum Beispiel achten. Die sind gelb-schwarz gefärbt wie Wespen, stechen aber nicht. Schwebfliegen können in der Luft über den Blüten schweben, während Wespen diese Fähigkeit nicht besitzen und ständig in Bewegung sein müssen. Ein anderes Insekt, auf das Hirt hinweist, ist Anfang Juni normalerweise schon gar nicht mehr zu finden. »Es war einfach Zufall, dass wir die Wiesenschaumzikade hier noch entdeckt haben«, erläutert sie. »Das Baby pupst Schaum und baut sich daraus ein Haus. Hinter dieser Schutzbarriere bleibt es dann, bis es erwachsen ist.« Klar, dass bei dieser Geschichte die Wiesenschaumzikade schnell zur Attraktion wird.
Die 1c trägt innerhalb kürzester Zeit einige Insektenexemplare zusammen wie Schmalwanzen, Schlupfwespen, Ameisen, Grashüpfer, eine Marienkäferlarve, eine Spinne, die im Becherglas direkt ihr Netz spinnt, und etwas, das aussieht wie ein Stock. Nicht alles kann bestimmt werden. Anschließend dürfen alle gefangenen Insekten wieder in die Freiheit zurück. Und die eifrigen Jäger und Sammler erhalten zur Belohnung Apfelsaftschorle von der Interessengemeinschaft Streuobst.
Nächste Veranstaltung der IG Streuobst ist ein Sommerpflegekurs für Obstbäume. Am 1. Juli wird Uwe Müller auf der Wiese am Ulmenweg dazu Anleitungen geben. Die Uhrzeit wird noch bekannt gegeben.