Mutig und stark in die Zukunft

»Sei stark und mutig« im äthiopischen heißt das »Ayzon«. Das ist der Name des jüngsten Karbener Vereins. Das Ziel der Helfenden: Kindern eine Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen.
Die staatlichen Vorgaben in Äthiopien sind streng: Kinder dürfen nur zur Schule gehen, wenn die Familie für Lernmaterial, Uniform und Schulgebühr aufkommen kann. Doch die Armut in dem ostafrikanischen Land ist groß und allgegenwärtig. Nur ein Bruchteil der Bevölkerung kann sich den »Luxus« Schulbesuch leisten. Vor allem die Kinder alleinerziehender Frauen landen häufig auf der Straße. Losgelöst von ihrem Zuhause leben sie dann auf und von den Müllhalden der größeren Städte. Eine spätere Reintegration in die Familien gestaltet sich schwierig.
»Viele Kinder kehren wieder auf die Straße zurück«, weiß Anne Bücheler. Selbst mit Schulabschluss seien die Möglichkeiten der Heranwachsenden limitiert. »In Äthiopien bestimmen der Staat oder die Gemeinde, was anschließend gemacht wird. Eine Chance zur eigenen Berufsfindung gibt es nicht«, sagt sie.
Verein im Juni 2021 gegründet
Im Juni 2021 hat die ehemalige Berufsschullehrerin in Rendel den Verein Ayzon gegründet. Das Projekt unterstützt Bedürftige in der Stadt Shashemene, die etwa 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Addis Abeba liegt. Ayzon bedeutet »Sei stark und mutig«. Und dieser Name ist Teil des Programms.
»Wir erstellen für unsere Schützlinge individuelle Förderprogramme. Unser Ziel ist es, dass sie sich nach der Ausbildung selbst versorgen können. Aber wir nehmen nur die, die auch wirklich wollen«, erklärt Bücheler. Derzeit seien das neun Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren. Man strebe eine Abbruchquote von unter 20 Prozent an. Bücheler ist sich sicher: »Ohne strukturierte Begleitung würde diese Quote um ein Vielfaches höher liegen.«
In Deutschland konnte die gebürtige Stuttgarterin schon viele Erfahrungen mit Inklusionsprojekten sammeln. Sie wohnt seit acht Jahren in Rendel und ist stellvertretende Schiedsfrau der Stadt Karben.
Auf Vereinsebene freut sie sich über multikulturelle Unterstützung. Die Ayzon-Mitglieder haben Wurzeln in sechs Nationen und kommen aus unterschiedlichen Berufsgruppen. Die 2. Vorsitzende, Liya Siltan-Grüner, ist das Verbindungsglied nach Äthiopien. Sie spricht beide Sprachen nahezu perfekt, weil sie im Alter von zehn Jahren nach Deutschland kam. Während ihrer Aufenthalte in Shashemene knüpft die studierte Agrar-Ökonomin Kontakte und koordiniert den Einsatz der Spendengelder.
Mit Anne Bücheler steht sie in ständiger Verbindung. Erste Fortschritte aus Afrika können bereits vermeldet werden: Eine Einheimische hat dem Verein in der Stadt ein Gebäude zur Verfügung gestellt, in dem samstags unterrichtet und gespielt wird. Dort werden die Kinder verpflegt. Den Förderunterricht übernimmt eine Lehrerin in Teilzeitanstellung. Für die weiterführende Ausbildung nach der Schulzeit gibt es Partner mit eigenen Ausbildungswerkstätten. Der Verein plant, im neuen Schuljahr weitere Kinder aufzunehmen.
Gestartet mit 9000 Euro
Das erste Jahr sei immer schwierig, berichtet die Vereinsvorsitzende. Man habe noch keinen Anspruch auf öffentliche Fördergelder. »Da muss man für alles selbst aufkommen. Unser Budget beträgt knapp unter 9000 Euro. Spenden von Bekannten und Verwandten haben uns weitergeholfen. Oft genug muss man aber auch ins eigene Portemonnaie greifen.«
Da darf die Frage nach dem Warum schon erlaubt sein. Anne Bücheler muss über die Antwort nicht lange nachdenken. Sie hat sogar gleich mehrere: »Weil ich ein gläubiger Mensch bin. Weil ich in meinem Leben selbst sehr viel Glück hatte. Und weil ich durch meine Eltern gelernt habe, anzupacken und nicht wegzuschauen.«
Sie beschreibt sich als abenteuerlustig und neugierig. Während einer Äthiopien-Reise im Herbst lernte sie Land und Leute kennen. »Mein hellhäutiges Gesicht habe ich in der Öffentlichkeit immer hinter einem Tuch verborgen, damit man mich nicht sofort als Europäerin erkannte«, erzählt Bücheler. Währenddessen zeigt sie Fotos von ihrer Exkursion, die einer anderen Welt entsprungen sein könnten.
Paten gesucht
Menschen, die helfen möchten, können über den Verein Patenschaften für Schulkinder übernehmen. Diese Unterstützung soll über mehrere Jahre laufen. Dies ermögliche den Familien in Äthiopien eine sichere Planung ermöglichen. »Für unsere Kinder und Jugendlichen ist das Wissen, einen Paten zu haben, eine große Hilfe und ein Ansporn«, heißt es auf der Ayzon-Homepage. Die monatlichen Kosten betragen zwischen 10 und 30 Euro. Auch Einmalspenden und Kleinspenden werden gerne angenommen.
Weitere Informationen dazu gibt es auf der Homepage: www.ayzon.de. Helfende können sich auch bei Anne Bücheler melden, Telefon: 0 60 39/35 64. jsl
