Poesie in Wetterauer Mundart

Dialekte sind Aushängeschilder einer Region. Um diese auch in der Wetterau zu bewahren, hat Rainer Züsch im St. Bardo Treff in Petterweil ein Vortrag in der Wetterauer Mundart gehalten.
D ie Damen vom St. Bardo-Treff in Petterweil durften sich am Mittwochnachmittag über den Besuch eines bekannten Klein-Karbeners freuen. Rainer Züsch war ihrer Einladung ins katholische Gemeindehaus gefolgt. Mit ihm hielt die Wetterauer Mundart, wie sie früher in seinem Heimatdorf gesprochen wurde, Einzug im Saal. Im Gepäck hatte er die Lebensgeschichte und die Werke Peter Geibels, dessen Name fest mit Klein-Karben verwurzelt ist. Darunter war unter anderem ein Originalband mit Mundartgedichten aus den 1870er Jahren.
Allgegenwärtig in Karben
Rainer Züsch ist ein ausgewiesener Kenner der geibelschen Vita. Sprachlich kann er einfach den Schalter umlegen und ganz leicht zwischen einem gepflegten Hochdeutsch mit Dialekteinfluss und der Wetterauer Mundart hin und herwechseln. In der Vergangenheit hat er beim Karbener Geschichtsverein und anderswo bereits zu diesem Thema referiert.
Nach der Begrüßung durch Mit-Organisatorin Dorothe Schulz zeigte der ehemalige Klein-Karbener Ortsvorsteher zunächst einmal auf, welchen Nachhall Peter Geibel bis heute in der Stadt hinterlässt. Züsch wies in diesem Zusammenhang auf die Peter-Geibel-Straße, den Peter-Geibel-Brunnen, die Peter-Geibel-Apotheke und den Geibelhof hin, wo der Dichter am 21. August 1841 geboren wurde. »Zudem verleiht die Stadt Karben für besondere ehrenamtliche Leistungen die Peter-Geibel-Medaille«, fügte er hinzu.
Angelehnt an einige Schriftstücke nannte Geibel sein Heimatdorf Klein-Karben »Selzenbach«. Züsch weiß: »Damit meinte er das Land rechts der katholischen Kirche bis zum Wald hinauf, wo sein Vater, ein Landwirt, Ackerstücke besaß.«
Auf das Drängen seines Vaters hin sollte Peter Geibel ebenfalls Landwirt werden. Erst 1860, als kurz hintereinander sowohl Vater als auch Mutter starben, nahm er seinen wahren Berufswunsch in Angriff und studierte in Gießen Tiermedizin. Das dörfliche Leben in all seinen Facetten ließ ihn jedoch nie los. Geibel verarbeitete diese Erfahrungen und Erlebnisse in rund 250 Gedichten. Seine Werke erzählen von Menschen, Tieren, Trachten, Spinnstuben, Kirchweihen und auch vom Aberglauben, der in Klein-Karben lange Zeit sehr verbreitet war. »Besonders argwöhnisch waren die Einwohner Fremden gegenüber, die in die Dorfgemeinschaft kamen. Das betraf vor allem die zahlreichen Erntehelfer aus dem Marburger Land und die sogenannten »Fulder« aus der Rhön. Geibel liebte es, solche kleinen Episoden in Reime zu fassen. Die meisten seiner Werke tragen vermutlich autobiografische Züge«, führte Rainer Züsch aus.
Im Dezember 1879 heiratete er in der Friedberger Stadtkirche Kathinka Schwarz, die Tochter des Berginspektors der Kaisergrube im Taunus und siedelte drei Jahre später mit ihr nach Höchst am Main über. Seine Vermählung beschrieb er in dem Gedicht »Die Stoadtkirch«. »Mein schinste Gruß d’r Wearreraa!«, ein Klassiker der Mundart-Poesie, durfte bei dem Vortrag am Mittwoch natürlich auch nicht fehlen. Die fünf Bitten des Vaterunsers sind ernsterer Natur und zeigen Geibels Frömmigkeit.
Rainer Züsch trug die Gedichte in perfektem Wetterauisch vor Es ginge ihm nicht nur darum, Geibels humoristische Gedichte vorzutragen, erklärte er den Zuhörerinnen. Das käme auf die Dauer einer Büttenrede gleich. Dadurch blieben unbekannte Werke im Hintergrund verborgen. »Auch die ernsten Sachen liefern Lebensbeispiele aus dem dörflichen Umfeld. Als Prädikant habe ich in der Klein-Karbener Kirche über die fünf Bitten des Vaterunsers gepredigt«, berichtete Züsch.
Peter Geibel starb am 2. März 1901 im städtischen Krankenhaus in Frankfurt vermutlich an Multipler Sklerose.
