Unterwegs mit den Rehkitz-Rettern

Die Rehkitzretter des Karbener Tierschutzes sind schon frühmorgens auf den Beinen. Michael Soborka, Christian Pollak sowie Drohnenpilot Tim Stöveken erklären ihre Vorgehensweise und weisen darauf hin, wieso in Sicherheit gebrachte Tiere niemals von Dritten »befreit« werden dürfen.
L angsam erwacht Karben. Der morgendliche Berufsverkehr hat schon vor einiger Zeit begonnen. Auf der Bundesstraße 3 zwischen Nieder-Wöllstadt und Okarben fährt ein Auto nach dem anderen. Aber kaum jemand wird Notiz von dem Flugobjekt nehmen, das dort in fast 80 Metern Höhe über einer Wiese in der Luft schwebt.
Allerhöchste Gefahr im hohen Gras
Drohnenpilot Tim Stöveken steuert den kleinen Senkrechtstarter schnell und zielgenau. Nacheinander fliegt er verschiedene, von der integrierten Infrarotkamera erkannte Punkte an. Hinter jedem Punkt kann sich ein Tier verbergen, das eventuell gerettet werden muss.
Muttertiere und größere Rehkitze flüchten bei drohender Gefahr selbstständig aus dem hohen Gras. Die ganz kleinen aber haben keine Chance, weil sie noch nicht flüchten können. Rollen die Traktoren mit Mähwerk zur Grasmahd an, droht ihnen allerhöchste Gefahr.
Landwirt Helmuth Groth aus Okarben steht mit seinem Traktor am Wiesenrand in Wartestellung. Den für die Okarbener Gemarkung zuständigen Jagdpächter Jürgen Katzer hatte er über die geplante Mahd informiert. Und der wiederum hatte dann die Rehkitzrettung des Karbener Tierschutzes auf den Plan gerufen. Dieser immer gleiche Ablauf funktioniert in Karben reibungslos, wie die Praxis beweist.
Über Funk zum Ziel dirigiert
Michael Soborka, Christian Pollak und Jürgen Katzer bewegen sich derweil behutsam durchs Gras. Angeleitet werden die Männer von Tim Stöveken, der sie über Funk zum Ziel dirigiert. »Die Kitze sind nicht leicht zu entdecken, selbst wenn man direkt vor ihnen steht«, weiß Jagdpächter Katzer aus Erfahrung. »Sie liegen ganz tief im Gras, und ihre bräunliche Färbung tarnt sie noch zusätzlich.«
Doch an diesem Morgen ist ihnen das Glück hold. »Volltreffer«, bestätigt Michael Soborka durchs Funkgerät. Ein Kitz wird gesichert und zum nahen Waldrand gebracht. Dort bleibt es, geschützt in einer Box, bis die Gefahr vorüber ist. »Es ist das erste Kitz, das hier gefunden wurde«, freut sich Landwirtin Silke Groth und lobt die Möglichkeiten der modernen Technik. In diesem Fall sei die Drohne ein wahrer Segen, findet sie. Für das Projekt Rehkitzrettung in Karben ist es schon das zweite Erfolgserlebnis in diesem Jahr.
Die Hoffnung ist da, dass es in der Gemarkung Burg-Gräfenrode direkt so weitergehen könnte. Auf abenteuerlichen Wegen fahren Stöveken und Soborka an den gemeldeten Ort. Die Wiese befindet sich in der Nähe des Pfadfinderlagers bei Burg-Gräfenrode. Und tatsächlich: Sofort nach dem Aufsteigen ortet die Infrarotkamera eine Wärmequelle. Auf dem Display des Steuergerätes wird sie als weißer Punkt angezeigt. Aber noch bevor Michael Soborka die Stelle erreicht, flüchtet ein Jungtier mit großen Sätzen ins Gebüsch. Ein Kitz ist an dieser Stelle nicht zu finden. Schon sehr bald wird sich andernorts eine neue Chance bieten.
»Manchmal kann man aus der Luft erkennen, ob es sich um ältere oder jüngere Tiere handelt«, berichtet Stöveken. »Sicher kann man sich aber nie sein.«
Die Kitzretter weisen darauf hin, dass in Sicherheit gebrachte Tiere niemals von Dritten »befreit« werden dürfen. Sie müssten unter den Rettungsboxen verbleiben, bis die Gefahr vorüber sei.

