Verliebt in jedes Detail

Altes Spielzeug kann faszinieren. Ranken sich dann noch Geschichten um die Stücke, ist es angebracht, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen - wie bei Ingrid Regenfuß aus Karben.
I ngrid Regenfuß aus Petterweil besitzt ein paar Spielzeug-Schätze. An diesem Nachmittag hat sie etwas Einzigartiges auf ihrem Wohnzimmertisch vorbereitet. Es ist der detailverliebte Aufbau eines Riesenrades mit sechs Gondeln, Fahrgästen und Antriebhäuschen. Auf dem Stützgestell steht der Name »Rundus«. Aber das ist nicht alles. Verwahrt wird das zerbrechlich wirkende Stück in einer Art Schaustellerwagen aus Holz. Auf diesem Wagen steht der volle Name: »Mechanische Schaukel Rundus«. Eine Herstellerfirma ist auf der Verpackung allerdings nicht zu entdecken.
Riesenrad vom Opa selbst bemalt
Die Besitzerin kennt das Spielzeug seit ihrer frühesten Kindheit. »Wahrscheinlich ist es durch meinen Opa mütterlicherseits in unsere Familie gekommen«, vermutet sie. »Er hatte ein Geschäft in Berlin und kam oft mit solchen Dingen in Berührung. Vielleicht stammt es einem Kauf oder andere Leute machten es ihm irgendwann zum Geschenk.« Sicher sei, dass er das Riesenrad selbst bemalt habe. Ingrid Regenfuß legt sich beim Baujahr auf das Jahr 1910 fest. »Leider ist die Mechanik defekt, so dass man es nicht mehr richtig aufziehen kann. Ein Unikat dürfte es nicht sein, eher ein Produkt aus industrieller Fertigung«, glaubt die Petterweilerin mit dem Berliner Jargon.
1970 zog sie zusammen mit ihrem Mann, einem gebürtigen Nürnberger, in die Wetterau. Seitdem hat das Riesenrad einen Ehrenplatz im Wohnzimmerschrank der Familie. Dass es überhaupt noch existiert, grenzt an ein kleines oder eher großes Wunder. Als Berlin im Zweiten Weltkrieg von alliierten Bombern in Schutt und Asche gelegt wurde, konnte man damit eigentlich nicht rechnen. Kaum ein Haus in der Hauptstadt wurde im Bombenhagel verschont. Ganze Straßenzüge verschwanden von der Bildfläche. »Wir hatten Glück«, erzählt Regenfuß. »Das Haus, in dem wir zu dritt in einer Zweizimmerwohnung lebten, blieb als einziges weit und breit unversehrt.« Durch diese glückliche Fügung habe man das Spielzeug über den Krieg retten können.
Puppen sind ihre Leidenschaft
Zu besonderen Anlässen sei es danach immer aufgestellt worden. »Zusammen mit einer Puppenstube, die sich heute bei meiner Tochter befindet«, fügt die Seniorin hinzu.
Puppen sind ihre Leidenschaft geblieben. Auch davon gibt es Exemplare im Hause Regenfuß, die beide Weltkriege überlebt haben. Eine Puppe ist genauso alt wie das Riesenrad, die älteste stammt aus der Zeit um 1880. Die Puppen-Oma zeigt auf den Herstellerstempel: »Kämmer/Reinhardt« steht darauf. Die Firma aus Waltershausen in Thüringen war bekannt für die Modellierung sogenannter »Charakterpuppen«. Als Material wurde zunächst Biskuitporzellan, später Zelluloid verwendet.
Ingrid Regenfuß erzählt von einer Zeit, in der Puppen und Puppenzubehör sehr gefragt waren. Das sei in den 1980er Jahren bis etwa zur Jahrtausendwende gewesen. »Damals bin ich auch viel unterwegs gewesen. Überall gab es Puppenbörsen und Trödelmärkte, die von Sammlern gut besucht wurden. Um Puppen zu ersteigern bin ich hin und wieder bis nach Ladenburg in Baden-Württemberg zu einem Spielzeugauktionator gefahren.«
Auch wenn sich mittlerweile nicht mehr alle in ihrem Besitz befinden, macht das erlesene Konvolut einiges her. Es verteilt sich auf zwei Schränke und mehrere Reihen. Zum Fototermin darf gerne noch enger zusammengerückt werden. »Ich bin froh, dass ich mich nach einem Monat Bedenkzeit dazu durchringen konnte, an der Serie teilzunehmen«, sagt die Spielzeugliebhaberin.