Wo einst die Weißenburg stand

Mit weißer Farbe hat der Name der Weißenburg nichts zu tun. Das Gehöft war im Mittelalter eines von drei befestigten Gebäuden in Burg-Gräfenrode. Ein Nachfahre derer von Carben aus der Familie Wais von Fauerbach ist für den Namen verantwortlich. Wohl im Dreißigjährigen Krieg ist der Bau zerstört worden. Heute gibt’s ganz andere Pläne für das Areal.
Ortskundige und historisch Interessierte wissen es bestimmt: Von ehemals drei befestigten Gebäuden in Burg-Gräfenrode existiert heute nur noch die Oberburg. Von der Weißenburg im Westen der alten Dorfanlage gibt es keine überlieferten Zeugnisse. Dank einer Parzellenkarte aus dem Jahr 1744 ist aber immerhin ihr ehemaliger Standort bekannt. Mit diesem Wissen verortete Wilfried Rausch in seinem Heimatbuch die Lage der Weißenburg »von der heutigen Freihofstraße nach Norden verlaufend, bis über den Platz, wo heute die Maschinenhalle steht, rückwärtig an den Hof Fischer heranreichend«.
Sicher ist, dass der Name Weißenburg (oder Weißeburg) nichts mit der Farbe der verschwundenen Anlage zu tun hat. Die Deutung des Namens muss vielmehr im späten Mittelalter gesucht werden. Damals besaßen Hermann und Wiegand von Carben Besitzungen in Burg-Gräfenrode, die sie an ihre Nachkommen weitervererbten. Während Hermann von Carben seine Söhne Friedrich und Herdan mit Ober- und Unterburg bedachte, übergab Wiegand I. verschiedene Höfe an seine Söhne Wiegand II. und Ruprecht. Darunter befand sich auch die Weißenburg. Ein in die Burgherrenfamilie eingeheirateter Sprössling der ritterständigen Familie Wais von Fauerbach bewohnte später das Anwesen und gab ihm seinen Namen.
Wahrscheinlich wurde die Weißenburg im Dreißigjährigen Krieg von durchziehenden Truppen zerstört. Alles, was an Steinen und Material noch irgendwie dienlich sein konnte, wurde zur Ausbesserung anderer Gebäude in Roggau verwendet. »So sind uns keine oberirdischen steinernen Zeugen übrig geblieben, doch dürfte in manchem alten Haus oder Keller ein Stein dieser Burg vorhanden sein, wie es für die Hofseite der Scheune in der Hofreite Fischer (Weißenburgstraße 13) zu vermuten ist«, schreibt Heimatforscher Rausch.
Bald schon könnte sich zeigen, was an der historischen Stätte noch alles zu finden ist. Auf dem seit einigen Jahren verwaisten Gelände soll neuer Wohnraum entstehen. Im Bebauungsplan heißt das Projekt offiziell »An der Weißenburg«.Es soll möglichst viel alte Bausubstanz stehen bleiben.
INFO: Zwölf Reihenhäuser sind geplant
Seit Mitte vergangenen Jahres sind die Pläne öffentlich: Investor Dr. Axel Seemann will die Weißenburg renovieren, deren Hof sanieren und aufwerten und statt der hinter dem Burggelände liegenden, zunehmend verfallenden Maschinenscheune zwölf Reihenhäuser errichten. Das Areal ist fast 3000 Quadratmeter groß.
Ein Bebauungsplan »An der Weißenburg« ist in den städtischen Gremien beraten worden. Seemann erläuterte im Juni seine Pläne in Burg-Gräfenrode. »Wir werden in die alte Scheune drei Wohnungen bauen«,erklärte der Investor damals. »Die Wohnungen werden Maisonettecharakter haben«, hat Seemann verraten. Abgerissen werden sollen die alte Stallungen und Lagerräume. Auf der linken Seite sollen fünf kleine Reihenhäuser mit je 110 Quadratmetern Fläche hinzugebaut werden. Der Charakter des Anwesens bleibe erhalten. An der Rückseite des Geländes sind weitere Reihenhäuser vorgesehen, die Scheune wird dafür weichen. Dort, wo jetzt ein Weg verläuft, soll es eine Anliegerstraße geben. Die erhält laut Planung einen Wendehammer. Angefahren wird das Projekt nicht von der Weißenburgstraße her und damit nicht vom alten Ortskern her, sondern von der Seite der Maschinenhalle aus.
Und was wird aus der historischen Weißenburg? Bei diesem Gebäude sei man mit der Denkmalbehörde des Wetteraukreises in Kontakt. Mit der Stadt stehe er seit fast zwei Jahren in einem engen Austausch. pe
Am Teich wurde Wäsche gewaschen
Auch das Schicksal der rückseitigen Maschinenhalle ist besiegelt. An ihrer Stelle entstehen mehrere Reihenhäuser mit Terrasse und Garten. Angefahren werde das Objekt nicht vom Ortskern her, sondern von der Seite der Maschinenhalle, lässt Investor Seemann wissen. Er verspricht: »Wir werden den alten Ortskern kaum mit Verkehr belasten. Wir bringen auch alle Anwohnerautos auf dem Gelände unter.«
Gespannt darf man sein, ob das wasserreiche Areal am Weißenburg-Grund in den Bauplanungen berücksichtigt wird. Ein rekons-truierter Dorfplan aus dem Jahr 1600 zeigt im Detail den sogenannten Weedgraben sowie mehrere Quellen, von denen vermutlich der ehemalige Wassergraben der Weißenburg gespeist wurde. Reste des Wassergrabens sollen noch in den 1960er Jahren sichtbar gewesen sein.
An einem nicht mehr existenten Teich wurde Wäsche gewaschen. Für das dortige Wasservorkommen spricht ein kleines Rinnsal, das an einer Ecke zwischen Halle und Grünfläche aus einem Rohr zutage tritt. Es dürfte sich vermutlich um Quellwasser handeln.
