Zehn Jahre »andere Gottesdienste«

Stephan Kuger ist eher ein zurückhaltender Mensch. Völlig unaufgeregt sieht er in diesen Tagen dem zehnjährigen Jubiläum des »Etwas anderen Gottesdienstes« in Rendel entgegen.
N ein«, stellt Stephan Kuger klar, »die Idee zur Einführung des »Etwas anderen Gottesdienstes« in unserer Kirchengemeinde kam nicht von mir. Das geschah 2013 auf Initiative des damaligen Rendeler Pfarrers Konrad Schulz. Ich habe nach dessen Weggang einfach nur damit weitergemacht.« Schulz sei an seiner vorherigen Wirkungsstätte in Bad Vilbel mit anderen Gottesdienstformen in Berührung gekommen und wollte ein zu Rendel passendes Format etablieren, erinnert sich Kuger. »Er sah darin eine Möglichkeit, wieder mehr Menschen zum Kirchgang zu bewegen.«
Nach zehn Jahren ist man sich nicht nur in Rendel, sondern auch in der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Karben einig: Das Projekt hat sein Ziel mehr als erreicht. 86 Ausgaben mit über 150 Gästen, online und in Präsenz, sprechen eine deutliche Sprache. Der Erfolg zeigt sich auch daran, dass immer wieder Christen aus anderen Stadtteilen zum »Etwas anderen Gottesdienst« nach Rendel kommen.
Mit Pfarrerin Nadia Burgdorf bildet Kuger seit einigen Jahren ein eingespieltes Team. »Die Leute spüren, mit wie viel Herzblut wir bei der Sache sind«, ist sich der Initiator sicher. »Viele der teilweise aufwühlenden Themen beschäftigen uns auch im Alltag weiter. Diese Authentizität nimmt man uns ab.«
Videoformat seit Corona-Lockdown
Als in der Corona-Pandemie nichts mehr ging, überlegte sich das Duo eine neue Herangehensweise. Stellvertretend für die nicht mehr stattfindenden Gottesdienste wurde ein Videoformat eingeführt, der »Etwas andere Gottesdienst digital«.
»Nadia Burgdorf hatte dazu die Idee. Während ihres Studiums lernte sie den Umgang mit der Videokamera, war bei Filmaufnahmen dabei. Mein Sohn hilft uns beim Schnitt und bei Aufnahmen in der Kirche. Zu den Interviews fahren wir immer zu zweit: Nadia als Kamerafrau, ich als Interviewer«, erzählt Stephan Kuger. Die Themen der Videoclips sind breit gefächert und zeugen von immer neuen Einfällen. Einen christlichen Hintergrund besitzen sie jedoch alle. Im vergangenen Jahr kamen Burgdorf und Kuger sogar bis in die thüringische Staatskanzlei nach Erfurt, wo sie Ministerpräsident Bodo Ramelow interviewten (diese Zeitung berichtete). Gesprächsthema war der Umgang mit gemachten Fehlern innerhalb der Gesellschaft. Eine andere Ausgabe trug den Titel »Heilige Gemeinschaft Eintracht« und stellte den Frankfurter Stadionpfarrer Eugen Eckert vor.
»Das war das am häufigsten angeschaute Video 2022«, berichtet Stephan Kuger, der selbst bekennender Fan von Eintracht Frankfurt ist. Vermutlich seien die vielen Klicks mit dem Hype um die Mannschaft zu erklären, fügt der Rendeler hinzu. Auch in den Präsenzgottesdiensten wurden innerhalb einer Dekade viele Geschichten erzählt und Gespräche geführt. Bei Themen wie »Flucht und Vertreibung« fallen Kuger berührende Momente ein. Momente, die ihn emotional werden lassen. Er weiß: »Der sehnlichste Wunsch aller Geflüchteten war und ist, ihre Familienangehörigen unversehrt zu wissen und sie irgendwann wiederzusehen. Das geht einem schon sehr nahe.«
Inhalten gemeinsam erarbeiten
Für dieses Jahr stehen die Eckdaten der »Etwas anderen Gottesdienste« bereits fest, einige Themen auch. Mehrheitlich müssen die Termine aber noch mit Inhalt gefüllt werden. Das machen Nadia Burgdorf und Stephan Kuger gemeinsam, aber mit durchaus differenzierter Betrachtungsweise. Ihre »Fans« werden es ihnen danken.