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Kein Rezept für die Ehe

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Von: Judith Seipel

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Ingrid Fay-Schmidt war 40 Jahre Standesbeamtin in Gedern und hat mehr als tausend Ehen geschlossen. Seit Mitte Januar ist sie im Ruhestand. © Judith Seipel

1051 Ehen hat Ingrid Fay-Schmidt im Laufe ihres Berufslebens als Standesbeamtin geschlossen. Die kürzeste hielt nur ein paar Monate, andere Verbindungen scheinen gemacht für die Ewigkeit. »Für eine glückliche Ehe gibt es kein Rezept und auch keine Garantie«, sagt Fay-Schmidt, »man muss sie hegen und pflegen wie eine Pflanze, die wachsen soll.« Ein Gespräch zum heutigen Valentinstag.

Gerade einmal 22 Jahre alt war Ingrid Fay-Schmidt, als sie zum ersten Mal ein Paar verheiratet hat - ausgerechnet eine frühere Freundin, mit der sie Differenzen hatte. 1982 war das, und die junge Standesbeamtin war mächtig aufgeregt. Mehr als tausend Trauungen sollte sie im Laufe von 40 Berufsjahren vollziehen. Ein Patentrezept, wie die Ehe gelingt, hat sie nicht. In der Ehe träfen zwei Individuen zusammen, und es sei an beiden, das Beste daraus zu machen. Auf dem Standesamt findet nur die Ouvertüre statt.

Frau Fay-Schmidt, haben Sie sich bei einer Trauung jemals gefragt, ob das mit den beiden, die da gerade vor Ihnen saßen, wohl gutgehen wird?

Nein, das ist mir in der Tat nie passiert. Eher der umgekehrte Fall. Man denkt »Wow, was für ein tolles Paar, da passt wirklich alles!«, und dann dauert es keine fünf Jahre und man hat das Scheidungsurteil auf dem Tisch. In den vergangenen Jahren kam das leider immer häufiger vor.

Wissen Sie, wie viele Ehen, die Sie als Standesbeamtin geschlossen haben, noch bestehen?

Das kann ich gar nicht sagen. Ich hätte es feststellen können, als ich unlängst sämtliche Eheregister seit 1958 elektronisch nacherfasst habe. Aber die Idee ist mir dabei gar nicht gekommen. Allerdings habe ich in den letzten Jahren junge Paare getraut, deren Eltern ich schon verheiratet habe und deren Ehen noch Bestand hatten. Solche Erlebnisse sind etwas Besonderes.

Wie lange dauert eine gute Traurede?

Man sagt zwar »In der Kürze liegt die Würze«, aber je länger man das macht, desto kreativer wird man, desto mehr Ideen entwickelt man. Bei mir hat die Traurede in letzter Zeit schon mal 15 bis 20 Minuten gedauert.

Und was gehört unbedingt hinein?

Ein Muss sind die persönlichen Aspekte der Brautleute. Wer ist das? Wie haben sie sich kennengelernt? Was wünschen sie sich für ihre gemeinsame Zukunft? Manche Paare sprudeln nur so vor Mitteilungsfreude und breiten ihr ganzes Leben aus. Das sind dann sehr intensive Traugespräche, bei denen man viel erfährt. Manchmal muss man den Leuten aber alles aus der Nase ziehen. Das ist eher unbefriedigend, weil eine Distanz bleibt. Damit konnte ich aber immer professionell umgehen. Dann fasst man halt allgemeine, positive Gedanken zur Ehe zusammen.

Man kennt das aus dem Fernsehen: Die Braut wartet im Standesamt oder vor dem Altar auf den Bräutigam, aber der kommt nicht. Haben Sie das mal erlebt?

Nein, es gab zwei oder drei sehr kurzfristige Absagen einer Trauung. Allerdings musste ich mal ein Brautpaar samt Hochzeitsgesellschaft unverrichteter Dinge nach Hause schicken, weil die Prüfung der Ehevoraussetzung nicht abgeschlossen war. Entgegen ihrer Beteuerungen hatte die Braut nämlich nicht alle erforderlichen Papiere vorgelegt. Wie sich dann herausstellte, war sie noch mit einem anderen Mann verheiratet und die Scheidung nicht durch.

Die standesamtliche Trauung hat sich in 40 Jahren doch sicher sehr verändert.

Ja, auf jeden Fall. Früher kamen Braut und Bräutigam mit den Eltern und den Trauzeugen, das war’s. Heute erwartet man auf dem Standesamt weitaus mehr als einen Verwaltungsakt. Das liegt auch daran, dass sehr viele Paare nicht mehr kirchlich heiraten, aber trotzdem eine festliche Zeremonie wollen. Die bringen dann Verwandte, Freunde und alle, die dazugehören, mit. Die Braut trägt Weiß und im Anschluss wird gefeiert. Wir tragen dem in Gedern Rechnung, indem wir außer im Trauzimmer auch in der Kultur-Remise, im Gartensaal des Schlosses und seit 2021 auch im Schlosspark trauen.

Und wenn ich den Bund fürs Leben gerne auf dem Segelflugplatz oder am Gederner See schließen möchte?

Dann ist das nicht möglich. Grundsätzlich legt der Magistrat per Beschluss fest, wo getraut wird, In Gedern sind das die vier genannten Orte.

Gibt es Hochzeiten, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind, weil sie in irgendeiner Weise außergewöhnlich waren?

Es ist dem Lauf der Zeit geschuldet, dass ich in der jüngsten Vergangenheit auch Paare aus dem Umfeld meiner Söhne getraut habe. Das war jedes Mal sehr emotional, weil persönliches Erleben mitschwingt. Man kennt sie seit Kindertagen, hat gemeinsame Erlebnisse und nun sitzen sie als Brautpaar vor einem. Das hat mich jedes Mal berührt. Ebenso bewegend ist es, wenn ältere Paare heiraten. Die Gesichter spiegeln viel Dankbarkeit, im Alter noch einmal einen Partner gefunden zu haben und noch einmal die Liebe erleben zu dürfen. In Erinnerung bleibt mir auch der 7. 7. 2017, ein heißer Tag, in jeder Hinsicht. Ich hatte sechs Trauungen, drei am Vormittag und drei am Nachmittag, jede mit vielen Gästen. Mehr geht beim besten Willen nicht.

Auch wenn es kein Rezept für eine gelingende Partnerschaft gibt, so haben Sie aber vielleicht einen Rat für Paare, die am Anfang stehen?

Ich bemühe gerne den Vergleich mit einer Pflanze, Die muss man gut pflegen, wenn sie wachsen und blühen soll. Gibt man ihr zu viel Wasser, ist das genauso schädlich wie zu wenig Wasser. Man muss das rechte Maß finden. Und man sollte keine Langeweile aufkommen lassen. Man sollte gemeinsame Interessen pflegen, die beiden Spaß machen, und sich gut umeinander kümmern. Andererseits braucht jeder auch Freiraum.

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