Kiesgrube bei Bad Nauheim: Zurück zur Natur

»Betreten verboten« heißt es am Eingang der ehemaligen Kiesgrube zwischen Steinfurth und Nieder-Mörlen. Warum? Was passiert dort, nachdem die Kantkies-Vorkommen seit Jahren erschöpft sind?
Wer sich der ehemaligen Kiesgrube an einem Wochenende von außen nähert und am Tor stehen bleibt, hört leise den Wind in den Hecken und Vogelgezwitscher. In der Fläche zwischen den Bad Nauheimer Stadtteilen Steinfurth und Nieder-Mörlen baute man seit den 70er Jahren den »Nauheimer Kantkies« ab, der eine geologische Besonderheit ist.
Neulich fragte eine Leserin per E-Mail: »Was wurde da eigentlich alles abgeladen in den letzten Jahren? Ebenso in der kleineren Deponie auf der anderen Straßenseite Richtung Steinfurth? Dort war sogar immer ein Schild ›Lebensgefahr - verboten‹ angebracht.« Die Bürgerin beschrieb, wie sie während des Lockdowns Lkw gesehen habe, die etwas hinbrachten.
Wie aus Reportagen dieser Zeitung aus zurückliegenden Jahren hervorgeht, handelt es sich um unbelastete Erde, verbunden mit dem Ziel, die Rekultivierung herzustellen. Nachdem die Vorkommen zur Neige gegangen sind, wird die Grube wieder verfüllt. Sie ist seit 2019 als Naturschutzgebiet ausgewiesen und steht bereits seit 2017 unter Aufsicht des Landes.
Uhu und Amphibien statt Fotovoltaik
Ins Gespräch kam die ehemalige Kiesgrube erneut im September, als die Bad Nauheimer Koalition aus CDU, Grünen und SPD dem Stadtparlament einen Vorschlag zur Stromerzeugung unterbreitete. Ziel war es, Möglichkeiten zu prüfen, um dort Freiflächen-Fotovoltaikanlagen zu errichten. Kaum hatte das Parlament den Prüfauftrag einstimmig beschlossen, widersprach die Obere Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Darmstadt (RP) diesem Gedanken. »Grund ist das Vorkommen von Uhu und Amphibien«, erläuterte Bürgermeister Klaus Kreß dem Hohen Haus. Nun sucht das Rathaus nach Flächen für Fotovoltaik-Gewinnung auf großen Parkplätzen (siehe unten). Dies geschieht ebenfalls aufgrund eines einstimmig beschlossenen Prüfantrags der Koalition (diese Zeitung berichtete).
Der Zugang zur Kiesgrube ist untersagt. Ein Schild am Tor weist darauf hin, es bezieht sich auf die allgemeine hessische Bergverordnung. Auskünfte erhielt diese Zeitung durch das RP Darmstadt.
Laut einer Presseabteilung des Regierungspräsidiums gewannen die Unternehmen Lahn-Waschkies und Cemex dort Quarzsand und -kies. Förderflächen waren seit 1977 das West- und seit 1993 auch das Ostfeld, die rechts und links der Landstraße L 3134 von Bad Nauheim nach Steinfurth liegen. Das Westfeld befindet sich ein Stück hinter dem Rosenpark Dräger (Steinfurth), das Ostfeld neben dem Rad- und Fußweg, der ins Rosendorf führt.
Wald und Streuobstwiese
Seit 2007 sind die Vorkommen des besonderen Kieses erschöpft, der rau und kantig statt wie üblich rund ist. Es war zunächst die Firma Cemex, welche die Fördergebiete seither rekultivierte. So entstanden auf dem Ostfeld ein Wald mit verschiedenen Baumsorten und eine Streuobstwiese. Auch dort ist der Zutritt »zum Betriebsgelände« verboten, tatsächlich steht ein Schild mit »Achtung, Lebensgefahr!« da.
Auf dem Westfeld neben dem Rosenpark sind Tümpel, Streuobstwiesen, magere Standorte und Heckenstrukturen vorgesehen und teilweise schon umgesetzt. Anstelle eines früheren Kraters ist heute eine plane Erdfläche zu sehen, dies vor der Kulisse der B3 und dem Blick auf Nieder-Mörlen. Das ehemalige Fördergebiet hat eine Größe von 18 Fußballfeldern.
Ab 2015 übernahm die Holcim GmbH die Arbeiten, seit 2018 ist es die Kieswerke Nieder-Mörlen GmbH. »Eine Aufbereitungsanlage wurde zwischen 2017 und 2018 demontiert«, erklärt der RP-Pressesprecher.
Die gesamte Fläche ist als Naturschutzgebiet »Kiesgrube Laukertsberg bei Nieder-Mörlen« ausgewiesen. Für 2035 ist die Entlassung aus der Bergaufsicht vorgesehen. Wo früher also gefördert worden ist, hat nun die Tier- und Pflanzenwelt ein Zuhause.
Pilotprojekt in Steinfurth
Die Stadt Bad Nauheim soll aufgrund eines Parlamentsbeschlusses Flächen für die Gewinnung von Sonnenstrom finden. »Derzeit überprüfen wir, welche öffentlichen Stellplatzanlagen sich als Standort eignen«, erklärt Heiko Heinzel (städtischer Fachbereichsleiter Stadtentwicklung). Ausschlaggebend dafür sind laut Heinzel das Potenzial hinsichtlich der Energiegewinnung und baurechtliche Voraussetzungen im Bebauungsplan. »Als ›Pilotprojekt‹ betrachten wir den neu zu errichtenden Parkplatz an der Sporthalle in Steinfurth. Hier sollen rund 50 Stellplätze entstehen. In diesem Fall läuft bereits die Abstimmung mit den Stadtwerken zur Realisierung einer PV-Anlage.«