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Kirschen ohne Schutz? »Das geht an die Existenz«

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Staunen bei den Politikern (v. l.): Jutta Paulus und Thomas Zebunke, OGV-Mitglied Werner Schaupp, der Vereinsvorsitzende Werner Kipp und Vereinsvize Werner Margraf mit Kirschen, die für den Verkauf schlicht zu klein sind. © Jürgen W. Niehoff

Die Verbotsliste für Pflanzenschutzmittel gefährdet die Existenz der Ockstädter Kirschenanbauer. Nun trafen sie sich mit der Grünen-Europaabgeordneten Jutta Paulus.

In jüngster Vergangenheit ließen die Ockstädter Kirschenbauer mehrfach den verzweifelten Hilferuf lautwerden, die Verbotsliste der Pflanzenschutzmittel (wie z.B. Exirel) solle überarbeitet werden oder es müssten zumindest vergleichbare Mittel zugelassen werden. »Ohne ein wirksames Pflanzenschutzmittel stehen wir vor dem Aus«, unterstrich am Samstag der stellvertretende Vorsitzende des Ockstädter Obst- und Gartenbauvereins Werner Markgraf im Gespräch mit der Grünen Europa-Abgeordneten Jutta Paulus und Vertretern der Wetterauer Grünen.

Übeltäter sind die Kirschessig- und die Kirschfruchtfliege. Sie legen nach der Paarungszeit ihre Eier in die Kirschen und verderben so den Geschmack der Frucht. Die Kirschen werden unverkäuflich. »In den Fünfzigerjahren wurden die Schädlinge noch mit DDT aus Hubschraubern bekämpft. Das Mittel wurde dann zwar verboten, doch der Insektenbefall war danach eine Zeit lang zumindest überschaubar. Seitdem die asiatische Kirschessigfliege um 2010 nach Europa eingeschleppt wurde, hat sich der Befall wieder massiv erhöht«, sagte Margraf. Abhilfe schafften nun nur noch die drei Pflanzenschutzmittel Exirel, Mospilan (wirkt nur gegen die Kirschfruchtfliege) und SpinTor (wirkt nur gegen die Kirschessigfliege).

Damit sich keine Resistenzen bei den Insekten bilden können, müssten die Mittel abwechselnd gespritzt werden. Margraf: »Und das auch nur drei Wochen vor der Ernte. Exirel darf außerdem auch nur aufgrund einer Notfallverordnung angewandt werden. Darüber muss Jahr für Jahr entschieden werden.«

Planungssicherheit für Obstanbauer?

In Ockstadt gibt es rund 500 Grundstückseigentümer, davon betreiben 50 den Kirschenanbau im Nebenerwerb und nur etwa 10 im Vollerwerb. »Leider wirft uns die Politik immer mehr Knüppel zwischen die Beine«, sagte Christine Dönges: »Wie soll bei einer solchen Gesetzeslage, die sich jedes Jahr ändern kann, Planungssicherheit eintreten? Die aber brauchen wir, wenn der Kirschenanbau in Ockstadt weitergehen soll«, sagte die Kirschenanbauerinnen, auf deren Hof das Treffen stattfand, an die Adresse der Grünen. Angesprochen war vor allem die Europaabgeordnete Paulus (Grüne), denn aus Brüssel kämen »die ganzen Verordnungen und Verbote, die den Landwirten in Deutschland das Leben so schwer« machten. »Ein weiteres Problem, das wir mit der Politik haben, ist, dass die bei uns verbotenen Pflanzenschutzmitteln in anderen EU-Ländern weiterhin genutzt werden dürfen«, hielt Rainer Zecha, ein Vollerwerbskirschenanbauer, Paulus vor. Hinzu kämen der hohe Mindestlohn in Deutschland und die Importe vor allem aus der Türkei, wo fast alle Pflanzenschutzmittel unbegrenzt erlaubt seien.

Paulus verteidigte die Haltung ihrer Fraktion in Brüssel. Sie seien auch oft sprachlos, welche Verordnungen das EU-Parlament passierten. »Aber das ist nun mal die Geschichte mit den Mehrheiten. Da sollten Sie mal dringend mit den Vertretern anderer Fraktionen reden, denn die stimmen oft dafür, obwohl sie die Probleme in Deutschland kennen«, versuchte Paulus den Schwarzen Peter wegzuschieben.

Anwohner gegen das Versprühen

Die Kirschenanbauer ließen sich damit nicht abspeisen. »Wer ist denn Sprecher im zuständigen Agrarausschuss in Brüssel? Es ist doch Sarah Wiener von den Grünen. Wo will die als Fernsehköchin denn für solche Fragen die notwenige Kompetenz hernehmen?«, lautete die prompte Antwort aus den Reihen der Ockstädter Landwirte.

Es gibt jedoch ein weiteres Problem jenseits der Politik: Ein Großteil der übrigen Ockstädter Bevölkerung wehrt sich gegen das Versprühen von Pflanzenschutzmitteln, weil sie Angst um ihre Gesundheit haben. »Dabei sprühen wir grundsätzlichnur nachts, wenn es windstill ist und sich kaum ein Mensch auf der Straße befindet«, sagte Vereinsvorsitzender Werner Kipp.

Einen Ausweg aus der Misere wollte Thomas Zebunke, Vorstandmitglied und Landtagskandidat der Wetterauer Grünen, gefunden haben, indem er Bürgergespräche vorschlug. Doch das hat der Obst- und Gartenbauverein nach eigenem Bekunden erst vor wenigen Wochen mit seinen Führungen durch Obstanbaugebiete versucht. Auch wenn an den Führungen über 150 Bürger teilgenommen haben, sind die Ängste nicht ganz ausgeräumt.

So blieb am Ende dieses Gesprächs mit den Grünen die Frage offen: Wird die Politik den Ockstädter Kirschenanbauern zur Seite springen und für die gewünschte Planungssicherheit sorgen?

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