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Körperverletzung, aber kein Raub

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Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. © IMAGO

Wetteraukreis (doe). Mit einer Verurteilung zu drei Bewährungsstrafen von je sieben Monaten und einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren endete die gerichtliche Aufarbeitung eines Vorfalls vom Juni 2020, der zunächst als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Raub aktenkundig geworden war. Die vom Schöffengericht des Amtsgerichts Friedberg unter Vorsitz von Richter Dr.

Markus Bange verhängten Urteile gegen die vier angeklagten Männer im Alter zwischen 25 und 28 Jahren sind noch nicht rechtskräftig.

Bis zuletzt hatten sich die Verteidiger bemüht, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Unbewusst hatte ihnen das Opfer des tätlichen Angriffs von 2020 dabei in die Hände gespielt. Denn der 33-Jährige verfolgte allzu offensichtlich die Intention, die Angeklagten möglichst schwer bestrafen zu lassen, damit ihm »Gerechtigkeit« widerfahre.

Zur Abreibung verabredet

Während der langwierigen, angesichts der sehr widersprüchlichen und teilweise fantasiereichen Inhalte aber auch durchaus kurzweiligen Beweisaufnahme übertrieb er in seinen Schilderungen des Tatablaufs erheblich. Er scheute nicht davor zurück, einen Baseballschläger zu erfinden, mit dem er zehn Minuten lang geschlagen worden sei (von dem aber keine Spur gefunden wurde). Auch bereicherte er die Liste der Vorwürfe nachträglich um einen angeblichen Raub von 340 Euro Einnahmen aus dem Portemonnaie in seinem vermeintlichen Taxi.

Beweisanträgen der Verteidiger auf Erstellung mehrerer Gutachten, darunter eines zur psychischen Verfassung des 33-Jährigen, entsprach das Gericht zwar nicht. Noch vor den Plädoyers erklärten Staatsanwältin Beatrix Taidi und Richter Dr. Bange aber übereinstimmend, die Entnahme von 340 Euro aus dem Fahrzeug sei ebenso wenig plausibel wie die Geschichte vom Baseballschläger, der definitiv schwerere Verletzungen verursacht hätte, als der Untersuchungsbericht des Bürgerhospitals Friedberg sie ausweise. Der Vorwurf des Raubes war damit vom Tisch. Wegen uneidlicher Falschaussage wird sich der 33-Jährige nun seinerseits bald einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen.

Es gebe keinen Zweifel daran, dass die vier Angeklagten sich verabredet hätten, um ihrem Verwandten wegen seines stark sexualisierten Chats mit einer erst 14-jährigen Schwester von zweien der Angeklagten eine Abreibung zu verpassen, leitete Staatsanwältin Taidi ihr Plädoyer ein. Auch wenn es in der Aussage des 33-Jährigen viele Unstimmigkeiten gebe, deckten sich doch seine Angaben zum Tathergang mit den Chat-Verläufen zwischen den Angeklagten und den per Handy-Auswertung ermittelten Standortangaben.

Auffälliger Belastungseifer

Für eine Mittäterschaft bei gefährlicher Körperverletzung sei es nicht erforderlich, konkrete Aktionen einzelnen Personen zuordnen zu können; es reiche die Anwesenheit bei der Tat. Taidi beantragte für die drei nicht vorbestraften Angeklagten je ein Jahr und drei Monate auf Bewährung, für den vorbestraften Angeklagten unter Einbeziehung einer noch offenen Strafe eine Gesamtstrafe von einem Jahr und zehn Monaten.

Alle Verteidiger forderten indes Freispruch. Der 33-Jährige habe vor Gericht so oft »rotzfrech« gelogen, einen solch auffälligen Belastungseifer bewiesen, dass man ihm auch seine Schilderung der Tat an sich nicht glauben könne.

Die Ermittler der Polizei hätten sich von ihm »einen Bären aufbinden lassen« - auch hinsichtlich des angeblich verschwundenen Geldes, obwohl das »Taxi« offenbar ein Privatfahrzeug war und es im familieneigenen Taxiunternehmen keine nachprüfbare Buchführung gebe. Die Angeklagten wiederum hätten - auch wenn sie nicht das Recht in die eigene Faust hätten nehmen dürfen - doch ein nachvollziehbares Motiv für eine Abreibung gehabt.

Das Schwurgericht folgte in der Beurteilung der eingeschränkten Glaubwürdigkeit des 33-Jährigen der Einschätzung der Staatsanwältin. Für das Tatgeschehen gebe es objektive Beweise wie den Chat-Verlauf, die protokollierten Verletzungen und die Handy-Ortung, eine konkrete Zuordnung einzelner Taten sei bei schwerer Körperverletzung nicht erforderlich. »Selbstjustiz kann unsere Rechtsordnung auch bei einem nachvollziehbaren Tatmotiv nicht hinnehmen«, betonte Dr. Bange. Mit seinen Urteilen (dreimal sieben Monate auf Bewährung, einmal eineinhalb Jahre Haft) blieb das Gericht unter den Anträgen der Staatsanwältin.

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