Kundenkreis bis ins Ruhrgebiet

Im 19. Jahrhundert etabliert sich in Nidda eine Möbelbau-Tradition, die bis Ende des vergangenen Jahrhunderts bestand. Nachweise der hohen Handwerkskunst finden sich aktuell nicht nur im Heimatmuseum, sondern auch noch in so mancher Niddaer Wohnung.
D ass Niddas Heimatmuseum eine nicht nur für Niddaer spannende Institution ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Neben den zeitlich begrenzten Sonderschauen bietet auch die Dauerausstellung interessante Einblicke in die Geschichte der Stadt. So befinden sich im zweiten Stockwerk des ehemaligen Rathauses einige Möbelstücke, die auf eine beeindruckende Möbelbautradition in Nidda verweisen.
Zu sehen sind handgefertigte Stücke aus der Schreinerei Carl Ringshausen. Stabil und solide für Generationen gefertigt und liebevoll mit schnörkeligen Ornamenten verziert, teils mit Löwenfüßen oder -köpfen ausgestattet, stehen sie prachtvoll im Raum. Was aussieht wie ein Thron, nutzten seine Besitzer einst als gewöhnlichen Wohnzimmersessel. Er ist allerdings nicht zu vergleichen mit den Möbeln unserer Zeit. Keine schlichte Eleganz drückt das Design früherer Zeiten aus, sondern das Gefühl von Bequemlichkeit und Wohlstand.
Gründung im Jahr 1869
Dokumentiert sind diese Möbel durch ausführliche Darstellung ihrer Geschichte und Entstehung. Carl Ringshausen gründete die Möbelfabrik »C. Ringshausen« 1869 in der späteren Bahnhofstraße 31. Nidda bot sich als Standort an, da die Infrastruktur der Stadt dem Firmengründer günstig erschien. Zahlreiche maßgefertigte Möbelstücke unterschiedlicher Art und Form verlassen die Fabrik, rasch und solide hergestellt, wie man in der Dokumentation von Kirsten Hauer und Friedhelm Krause nachlesen kann.
Ringshausen verstand sich nicht nur als Schreiner und Möbelfabrikant, sondern vor allem als Künstler. Er zeichnete die geplanten Einrichtungsgegenstände genau und mit erkennbarem 3-D-Effekt, bevor sie produziert wurden.
Eine weitere Möbelschreinerei war zur damaligen Zeit in der Bahnhofstraße ansässig, die Schreinerei Friedrich Reuning II. Beide Firmen waren zwar Konkurrenten, ergänzten aber ihr Angebot insofern, als Reuning II. mit seinem Möbellager warb, in dem diverse Teile vorrätig waren. Dazu gehörten auch Gebrauchsgegenstände wie Kinder- und Puppenwagen oder Spiegel. Ringshausen hingegen stellte Möbel nach Auftrag her. Der Kundenkreis kam zu einem beträchtlichen Teil aus dem Ruhrgebiet. Ende des 19. Jahrhunderts ergab sich eine Fusion der beiden Firmen, als Friedrich Reuning die Tochter Ringshausens heiratete und beide Firmeninhaber sich die Organisation des nun gemeinsamen Unternehmens teilten.
1928 änderte sich die Nachfrage, man stellte die Möbelproduktion ein, und verlegte sich auf die Serienproduktion von Radiogehäusen für alle gängigen und namhaften Hersteller, wie Grundig, Telefunken oder Philips. 1951 siedelte die Firma »C. Ringshausen OHG« in eine Halle des ehemaligen Flugplatzes Harb um. Die Firma expandierte und hatte einen guten Ruf, man stattete Regierungsräume aus und exportierte auch ins Ausland. 1983 kommt es allerdings zur Insolvenz und Übernahme durch einen Investor, 1985, nach 116 Jahren wird die Produktion bei C. Ringshausen eingestellt.
Robuste und haltbare Möbel
Und dennoch ist eine Nachhaltigkeit zu beobachten, denn nicht nur im Heimatmuseum finden sich die handgefertigten Stücke. Auch in so mancher Niddaer Wohnung gibt es noch Zeugen dieser für Niddas Wirtschaft sehr erfolgreichen und wichtigen Unternehmenssparte. So steht zum Beispiel ein Prachtexemplar von Wohnzimmerschrank bei Werner und Karin Scheig in Nidda. Die Eltern schafften das Möbelstück 1925 zur Hochzeit an. Seitdem zog es im Haus mehrfach um. Aber all diese Umzüge hat der Schrank unbeschadet und ohne sichtbare Kratzer überstanden. Karin Scheig erinnert sich an Erzählungen, dass der Schrank von einem Schreiner aus Kohden gefertigt wurde, den Namen hat sie vergessen. Aber dass er klein und eher schmächtig war, weiß sie noch genau. Auch der Inhalt hat sich in den Jahren nicht verändert, Karin Scheig hebt darin vor allem Bücher ihres im Krieg mit 19 Jahren umgekommenen Bruders auf, wertvolle Erinnerungsstücke an eine eigentlich traurige Zeit.
Die beiden 84-Jährigen machen sich keine Sorgen um den Fortbestand des Schranks, ihre Kinder signalisierten bereits, dass er auf jeden Fall im Familienbesitz bleiben wird. Den Wert kann man nur schätzen, aber im Preisbereich eines bekannten schwedischen Möbelhauses wäre er definitiv nicht zu finden.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden sich auch auf der Internetseite des Niddaer Heimatmuseums, noch spannender ist natürlich ein Besuch der Ausstellung, die Werner Scheig mit aufgebaut hat.
