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Kunst aus matschigem Brei

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Wunderschön präsentiert sie sich: »Die Erleuchtete« - Skulptur von Martina Reis im Heuson-Museum. © Andrea Weber

Büdingen (waa). Was für viele Menschen ausschließlich als lustig-matschige Kinderbeschäftigung mit Papierbrei gilt, ist so viel mehr. Kunst und Möbel werden aus Pappmaschee gemacht, Alltagsgegenstände, und sogar in der Architektur wurde es eingesetzt: Pappmaschee ist ein Zauberwerkstoff. Das zeigt eine Sonderausstellung im Heuson-Museum in Büdingen, die am 4.

März eröffnet wird. Mit Objekten zeitgenössischer Künstlerinnen, einer Manufaktur und einer Pappmaschee-Dynastie.

»Es ist ein Ei, auf dem man lange brütet«, erzählt Susanne Cott von der Geschichtswerkstatt Büdingen lachend, »eine neue Ausstellung auf die Beine zu stelle, braucht Zeit. Von den ersten Sichtungen der möglichen Objekte der Künstler und Institutionen, über den Aufbau der Ausstellung, bis hin zur lang ersehnten Eröffnung vergehen Monate.«

Verblüffende Einsetzbarkeit

Die 53-jährige ist die Initiatorin der Sonderausstellung »Alter Werkstoff, ganz modern: Pappmaschee«. »Ich bin selbst in ungläubiges Staunen verfallen, als ich mich immer weiter in die Materie eingearbeitet habe, als ich vor zwei Jahren auf das Thema Pappmaschee stieß. Unzählige Artikel und Filme über die Möglichkeiten und Techniken, die ich seitdem gelesen und gesehen habe, dazu die Verblüffung, wozu und in welchen Bereichen dieser tolle Werkstoff angewandt wird. Das ist doch allemal eine Ausstellung wert!«

Gesagt, getan. Die Sonderausstellung wird über ein Jahr lang im Heuson-Museum in der Rathausgasse 6 in Büdingen zu sehen sein.

Denn eigentlich ist es eine alte Idee. Pappmaschee, Papiermaschee, Papierton und Steinpappe wurde im Kunsthandwerk bereits im 17. Jahrhundert eingesetzt. Auch im 18. und 19. Jahrhundert bedienten sich schlaue Kunsthandwerker des Papierbreis, konnten sie doch damit edelste Materialien und Oberflächen imitieren. Vom glatten, schimmernden Marmor bis hin zum verwitterten Holzstück. Wer Pappmaschee nicht kennt und denkt: »Was ist das denn bitte schön?«, wird sich wundern. Die Herstellung des Werkstoffs, quasi eine matschige Masse aus Papier, Wasser und Klebstoff, hat weitaus mehr Techniken zu bieten. Auch das wird im Heuson-Museum anschaulich erklärt. Dazu wird der erheblich wirtschaftliche Faktor, den Pappmaschee für Deutschland bedeutete, gezeigt. Vornehmlich ins europäische Ausland und die USA wurden früher Möbelstücke, Kunst- und Alltagsgegenstände exportiert.

Und auch der hiesige Bezug ist - wie immer im Regionalmuseum Heuson - schnell erkennbar. Denn die Pappmaschee-Dynastie Adt, ein Familienunternehmen, das Mitte des 18. Jahrhunderts sogenannte Gebrauchsgüter herstellte, war ab 1920 in Wächtersbach zu Hause. Knöpfe, Papphülsen für Granaten und sogar ganze Papierwagenräder - wer damals im Katalog der Firma Adt blätterte, fand über 10 000 Produkte.

Der Heimat- und Geschichtsverein Wächtersbach stellt für die Ausstellung einige besondere Stücke zur Verfügung.

Wertvolle Skulpturen

Weitere Höhepunkte der Ausstellung werden wertvolle Skulpturen der Manufaktur Marolin aus Steinach in Thüringen sein. Alles Pappmaschee, alles Handarbeit. Und nicht nur die Stücke selbst werden für Staunen sorgen, die so wunderschön präzise gearbeitet sind, dass das Laienauge den Werkstoff Pappmaschee für das imitierte Material, zum Beispiel Holz, halten wird. Auch wie die Kunstwerke entstehen, an einem Rohling in verschiedenen Bearbeitungsstufen demonstriert, wird dann verständlich.

Susanne Cott hat folgende Künstlerinnen gewinnen können, die ihre Skulpturen zur Verfügung stellen: Dorothea Siegert-Binder aus Staufen im Breisgau, Claudia König (Dortmund), Martina Reis (Nienstädt), Armelle Vidal (Büdingen), Anke Redhead (Hamburg) und Lotta Gysi aus dem Kanton Zürich.

70er-Ausstellung noch bis 26. Februar

Die Sonderausstellung »Die 70er Jahre ganz persönlich - ein Lebensgefühl in Orange« quasi die Vorgängerin der anstehenden Pappmaschee Ausstellung, darf noch ein bisschen im Heuson-Museum bleiben. Bis zum 26. Februar haben nicht nur Hippies noch die Chance, in der eigenen und fremden Vergangenheit des Flowerpowers zu schwelgen. Ein großer Spaß für alle.

Dann müssen die 70er Platz machen für mehrere Jahrhunderte Pappmaschee. Joachim Cott, Historiker und ehrenamtlicher Leiter des Museums - außerdem Ehemann von Susanne Cott - freut sich, die Ausstellung am 4. März um 14 Uhr zu eröffnen.

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