1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis

Lachsalven am Gleis eins

Kommentare

cwo_hiegstergaukler_1611_4c
Eine illustre Gruppe versammelt sich aufgrund einer ICE-Panne am sonst so beschaulichen Höchster Bahnhof. Von der Geschäftsfrau, die sich als Psychopatin ausgibt, um mit der Polizei rechtzeitig nach Frankfurt zu kommen über den Landstreicher mit poetischen Ansätzen bis zum femininen Kegelbruder ist alles dabei. Und beste Unterhaltung fürs Publikum ist damit garantiert. © pv

Höchst (red). Viel Applaus und begeistertes Fußgetrampel spendet das Publikum für den Auftritt der Hiegster Gaukler des Vereins Kultur-Sport Höchst mit ihrer Komödie »Es fährt kein Zug nach irgendwo«. Dreimal bringt die Laienspielgruppe ihr Bahnhofsstück von Winnie Abel auf die Bühne. Und die gelungene Interpretation der lustig-schrägen Rollen durch die Darsteller lässt die ausverkaufte Höchster Gymnastikhalle toben.

Schon die Kulisse war ein Augenschmaus: ein runtergekommener Bahnhof, gammlig und voller Graffiti. Allroundtalent Markus Häubl zeichnete für dieses kreative Bühnenbild verantwortlich, das er mit täuschend echtem Equipment versah. Häubl, seit Jahren selbst Darsteller, legte dieses Mal eine Spielpause ein, war aber als Bahnhofsvorsteher mehrmals kurz in Aktion.

An diesem trostlosen Bahnhof in Höchst strandete nun eine bunt gemischte Truppe. Das Problem: ein Triebwerkschaden am ICE auf dem Weg nach Frankfurt. Was fand die unfreiwillig zusammengewürfelte Truppe dort vor? Keinen Handyempfang, kein Taxi, keinen Info-Punkt, nur einen Landstreicher namens Reinhold (Michael Ulbrich), der sich dort gemütlich eingerichtet hatte, sich mit Essensresten aus dem Müll versorgte und gerne mal den Poeten raushängen ließ. Besonders hart traf es Geschäftsfrau Victoria (Cora Harten), auf die in Frankfurt ein wichtiger Kundentermin wartete. Sie war so verzweifelt, dass sie sich sogar als eine von der Polizei gesuchte Psychopathin ausgab, nur um im Streifenwagen nach Frankfurt zu kommen. Mit vollem Körpereinsatz, auf dem Boden krabbelnd, spielte sie die Verrückte. Die Polizistin auch »Korinthenkacker« Conny genannt, setzte trefflich Tanja Reul-Henzler in Szene. Das Einhalten der Vorschriften war ihr ganz wichtig.

Erster Auftritt und gleich Doppelrolle

Am Plan, mit der Polizei nach Frankfurt zu kommen, war auch Verschwörungstheoretiker Hubert (Marko Krebs) beteiligt, der seinen Vortrag »Alles über den Bahnkomplott« in petto hatte. Er war überzeugt, die Bahn provoziere absichtlich Ausfälle und Verspätungen.

Viel Applaus und Anerkennung sowohl vom Publikum als auch vom eigenen Team bekam Corinna Schmitz in ihrer Rolle als grandios überdrehte Motivationstrainerin Sieglinde Sieg. Schmitz stand erstmals auf der Theaterbühne, sie sprang kurzfristig für die an Corona erkrankte Silke Wenzel ein. Zumindest die Regiearbeit aber konnte Wenzel noch erfolgreich abschließen. Auch in ihrer eigentlichen Rolle (sie trat in einer Doppelrolle auf) als Touristin Stacy beeindruckte Schmitz. Alles fand sie »amaaazing« und machte mit Landstreicher Reinhold ein Selfie, als« typical German Boy«.

Stamm-Mimin Conny Zoeke trat dieses Mal als Psychopathin Ilse und Kegelschwester Bärbel in zwei Rollen auf. Sie begeisterte erneut mit ihrem schauspielerischen Talent und sah als Ilse wirklich zum Fürchten aus. Doch auch als Bärbel, die mit ihrem Kegelclub per Bahn unterwegs war, überzeugt sie. Im Schlepptau hatte sie ihren etwas feminin anmutenden Kegelbruder Lars (Michael Loh) im roten Mädelsclub-T-Shirt, der stets einen Grund fand, die Sektkorken knallen zu lassen. Dritte im Bunde war Lara (Simone Schilling), die durchaus Karriere als Lachsack machen könnte, denn ihre ansteckende Lache animierte das Publikum ungemein. Kegelschwester Nummer vier war Thea (Kerstin Andres). Sie hatte 20 Eier und 80 Speckschnecken als Reiseproviant im Gepäck und verdrückte die meisten davon selbst. Andres, schon lange dabei, eroberte mit ihrer Situationskomik und dem »Hiegster« Platt von Minute Eins an die Sympathie des Publikums.

Bemerkenswert kreativ waren auch die technischen Raffinessen im Stück, so etwa die Bahnhofsdurchsagen, die Telefon-Hotline und die Lichteffekte. Selbst einen echten, herbstlichen Blätterwirbel gab es, begleitet vom Pfeifen des Winds sowie die passende »Zug- und Bahnhofsmusik« etwa »Es fährt ein Zug nach Nirgendwo« oder der »Sonderzug nach Pankow«. Das Team konnte sich da voll auf seinen Techniker Ralf Tjabben verlassen. Einen langweiligen Job hatte auch Souffleuse Andrea Scherer-Ulbrich nicht, half sie doch das eine oder andere Mal den Akteuren aus der Klemme.

Die Hiegster Gaukler spielen in der Regel am ersten November-Wochenende. Im Jahresverlauf kommen meist etliche Gastauftritte mit Sketchen oder dem beliebten Krimi-Dinner dazu. Und ihre Fangemeinde wird immer größer - das zeigte sich auch jetzt wieder.

Auch interessant

Kommentare