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Landrat Görig: »Wir müssen die Leute unterbringen!«

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Etwa 120 Betzenröder beteiligen sich an der Info-Veranstaltung zur neuen Flüchtlingsgemeinschaftsunterkunft im früheren Landhaus Appel. © Stefan Weil

Die kurzfristige Einquartierung von Flüchtlingen ins ehemalige Landhaus Appel beschäftigt die Betzenröder Bürger stark. Bei einer Info-Veranstaltung unterstreicht Landrat Görig: Der Kreis ist zur Unterbringung verpflichtet.

Sozusagen über Nacht sind in der vergangenen Woche Flüchtlinge im ehemaligen Hotel und Restarurant Landhaus Appel einquartiert worden. Die Betzenröder wurden davon überrascht und kritisieren mangelnde Informationspolitik durch den Landkreis. Der stellte sich am Montagnachmittag im Rahmen einer Informationsveranstaltung den Bürgerinnen und Bürgern.

Sie war auf Bitte des Ortsbeirats zustande gekommen. Neben kritischen Fragen gab es auch Anregungen, die Integration der bereits in dem Gebäude untergebrachten Flüchtlinge beziehungsweise Asylsuchende und die noch zu erwartenden Menschen zu unterstützen.

Zunächst räumte Landrat Manfred Görig Kommunikationsfehler bei der Information der Bevölkerung ein. »Es wäre besser gewesen, die Öffentlichkeit schon ein paar Tage früher zu informieren«, betonte er, was deutlich vernehmbaren Unmut unter den Besuchern hervorrief.

Görig, der zusammen mit sechs Mitarbeitern sich den Fragen der rund 120 Besucher stellte, bat um Verständnis für sein Handeln. »Wir stehen unter enormen Druck. Wir müssen die Leute unterbringen.«

Jeden Dienstag 17 neue Zuweisungen

Jeden Dienstag würden aktuell dem Vogelsbergkreis 17 Flüchtlinge vom zentralen Aufnahmelager in Gießen zugewiesen. »Die müssen so schnell wie möglich untergebracht werden, da kann ich nicht erst diskutieren, auch nicht Rücksicht nehmen auf eine vorhandene oder nicht vorhandene Infrastruktur vor Ort.«

Dabei seien die Kapazitäten zunehmend erschöpft, zum Beispiel in Alsfeld, wo neben einer Zeltstadt auch eine Containersiedlung mit 400 Plätzen errichtet worden sei. Jeder 14 Quadratmeter große Container würde mit vier Personen belegt, das sei keine Lösung auf Dauer. Auch Sporthallen wolle man nicht mehr langfristig belegen.

Daher suche der Kreis seit vergangenem Oktober weitere Unterkünfte, die kurzfristig ohne Renovierungs- oder Instandsetzungsarbeiten zur Verfügung stünden.

Im Falle des Landhauses Appel sei Schottens Bürgermeisterin Susanne Schaab Mitte November von einem diesbezüglichen Beschluss des Kreisausschusses informiert worden. Es habe auch einen Interessent für das Landhaus gegeben.

Der frühere Besitzer habe aber eine Weiternutzung seines Hauses als Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge abgelehnt. Der neue Besitzer, der alleine über die weitere Nutzung entscheide, habe dann am 11. Januar die vertragliche Vereinbarung mit dem Vogelsbergkreis unterschrieben.

Wegen eines Heizungsschadens habe der bereits für den 16. Januar geplante Einzug von Flüchtlingen auf den 1. Februar verschoben werden müssen«, so Görig.

Versorgung in Eigenregie

Die unterzubringenden Asylsuchenden kämen »aus aller Welt«, nicht über die Schiene Ukraine. »Daher dürfen sie auch nicht sofort arbeiten. So sieht es die Gesetzeslage vor. Daran müssen wir uns halten.«

Das Asylverfahren müsste zunächst erfolgreich abgewickelt sein. Das könne unter Umständen lange dauern. Darauf habe aber der Kreis keinerlei Einfluss. Schwierig zu organisieren sei auch wegen fehlender Kapazitäten eine früh einsetzende Sprachförderung.

Mehrere Fragesteller merkten die fehlende Infrastruktur und mangelnde Anbindung von Betzenrod zur Kernstadt mit ihren Einkaufsmöglichkeiten kritisch an.

Das müssten die Flüchtlingen mehr oder weniger in Eigenregie lösen, stellte der für das Flüchtlingswesen zuständige Amtsleiter René Lippert klar. Darum könne sich die Kreisverwaltung, die zahlreiche Gemeinschaftsunterkünfte unterhalte, nicht im Einzelnen kümmern.

»Wir können keinen Shuttle-Service einrichten«, so Lippert. Eine Rundumversorgung sei nicht möglich, ergänzte der Landrat. »Wir sind nur in der Lage, das Notwendigste zu tun. Mehr geht nicht.«

Wöchentlich zweimal sei ein Betreuer des Kreises in der Unterkunft in Betzenrod vor Ort, um sich um die Belange der dort untergebrachten Menschen zu kümmern. Die Verpflegung beziehungsweise das Kochen müssten die Flüchtlinge selbst in die Hand nehmen.

Kritische Frage von Klaus Füßl zum mögliche Tagesablauf der Flüchtlinge: »Was sollen die Menschen den ganzen Tag machen. Sie müssen doch begleitet werden.«

Der ungeregelte Tagesablauf rege auch die Bedenken unter den Einwohnern Betzenrods an. »Es ist die Frage, wie viel Integration schafft das Dorf.« Was mögliche Sicherheitsprobleme angehe, wollte der Landrat keine Garantie geben.

»Die Asylsuchenden sind freie Menschen. Wir als Kreis sind für die Unterbringung zuständig. Sicherheit und Ordnung ist Aufgabe der Polizei.«

Persönlicher Kontakt wichtig

Mehrere Besucher, die sich zu Wort meldeten, plädierten für eine selbst organisierte zusätzliche Unterstützung der Flüchtlinge. »Daraus entstehen eventuell Möglichkeiten, die Menschen schneller zu integrieren«, merkte dazu Andreas Drinkuth an.

Stadtverordnetenvorsteher Hans-Dieter Herget warnte vor einem »Generalverdacht«. »Der direkte Kontakt mit den geflüchteten Menschen ist wichtig.« Er warb für eine Mitarbeit im 2015 in Schotten gegründeten Unterstützerkreis für Flüchtlinge ist.

Ortsvorsteher Sebastian Reiß plädierte abschließend dafür, zu gegebener Zeit eine weitere Infoveranstaltung durchzuführen.

Info: Gemeinschaftsunterkunft in Betzenrod

Mindestens für die kommenden fünf Jahre wird das frühere Hotel-Restaurant Landhaus Appel als Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge dienen. Abgänger, die zum Beispiel eine Wohnung finden, würden sofort ersetzt. Das stellte Landrat Manfred Görig in der Informationsveranstaltung klar.

Aktuell waren am Montag 21 Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien untergebracht. Neben jungen Männern auch Paare, wie die für das Flüchtlingswesen in der Kreisverwaltung zuständige Teamleiterin Sabine Welter am Rande der Veranstaltung mitteilte.

Ausgelegt ist die Gemeinschaftsunterkunft in Betzenrod für 50 Personen, maximal für 56, so Landrat Görig.

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