Lange Haftstrafe
Wegen räuberischen Menschenraubs und schwerer räuberischer Erpressung in Ortenberg ist ein 36-Jähriger vor der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Gießen zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.
Die Haftstrafe von sieben Jahren und neun Monaten erscheint heftig, liegt aber deutlich unter dem Höchstmaß von 15 Jahren, was im Spielraum des vom Gesetzgeber vorgefassten Rahmens liegt. Ein 36-jähriger gebürtiger Lette ist vor der 2. Großen Strafkammer am Landgericht Gießen unter Vorsitz von Richter Jost Holtzmann wegen räuberischen Menschenraubs und schwerer räuberischer Erpressung in Ortenberg (der Kreis-Anzeiger berichtete von Prozessauftakt) dazu verurteilt worden.
Während Strafverteidiger Dr. Carsten-Friedel Keil (Menden im Sauerland) bereits kurz nach dem Schuldspruch wissen ließ, dass sein Mandant die Möglichkeit der Revision in Anspruch zu nehmen gedenkt, will auch Staatsanwalt Tom Bayer diese Möglichkeit prüfen, so dass noch keine Rechtskräftigkeit besteht.
In der Tat gibt es Sichtweisen, die unterschiedliche Interpretationen zulassen. Wobei der Beschuldigte zuächst Grundlage dafür bot, strafmildernde Aspekte in die Verurteilung einfließen zu lassen, denn er zeigte sich weitgehend geständig, gab zu, einen Letten und dessen weibliche Begleitung im Mai 2019 in räuberischer Absicht in ein Waldstück zwischen Lißberg und Usenborn gelockt zu haben, um die Geschädigten dort um 24 000 Euro zu erleichtern. Dieses Geld hatte das Pärchen mitgebracht, weil es ein Auto dafür erwerben wollte, so wie es der Beschuldigte in böser Absicht vorgegeben hatte.
Nachbildung einer Pistole
Vor Gericht beteuerte er, dies sei auch seine ursprüngliche Idee gewesen, was dann schief glaufen sei, weil der Wagen einem von zwei Mittätern gehörte, dieser aber plötzlich den Pkw nicht veräußern, sondern behalten wollte. Da sei man zu Dritt dem Plan verfallen, den Verkauf vorzutäuschen und den Raub durchzuführen. Der dabei von den Opfern geschilderte Einsatz einer Waffe sei nur die Nachbildung einer Pistole gewesen. Wobei das Gericht wegen der geständigen Einlassungen bewusst auf die Einbestellung der beiden Geschädigten aus Lettland in den Zeugenstand verzichtete. Die Opfer hatten nach der räuberischen Aktion zwischen Lißberg und Usenborn neben ihrem Auto auch den Verlust von Smartphone, Spielkonsole und Laptop zu beklagen.
Wie Staatsanwalt Tom Bayer ausführte, hätten die beiden Beraubten um ihr Leben fürchten müssen, weil eine konkrete Drohung des Trios infernale lautete, sie würden erschossen und dann in Gruben abgelegt, die bereits im Wald ausgehoben worden seien. Sie erreichten nach dem Raub zu Fuß völlig eingeschüchtert einen Reiterhof,
Vor der Polizei konnten sie ein ziemlich genaues Phantombild vom Angeklagten erstellen, während dies von den beiden anderen Tätern nicht gelang. Letztgenannte werden wegen dieses Verbrechens wohl nie gefasst werden. Wobei eine markante bildliche Darstellung des Beschuldigten auch deswegen möglich war, weil er extrem klein ist, zudem hager und mager. Ein auffallendes Leichtgewicht mit extrem eingefallenen Wangen. Er ließ nach seiner Verhaftung wissen, von den anderen Beschuldigten keinerlei Personalien zu kennen. Man habe sich allesamt in der Ortenberger Rauschgiftszene bewegt. Eine Szene, die nicht zum ersten Mal bei Prozessen vorm Landgericht eine Rolle gespielt hat. Auch der Angeklagte in diesem Verfahren sei von gravierender Sucht befallen, ließ sein Strafverteidiger wissen.
Keine Gefahr für Allgemeinheit
Wobei dessen Zielsetzung lautete, im Urteil die Zuweisung seines Mandanten in ein Therapieprogramm zu erreichen. Was aber nicht zum Tragen kam, weil ein Sachverständiger aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten keine Erfolgsaussicht für eine solche Therapie prognostizierte. Der Forderung des Staatsanwalts nach einer anschließenden Sicherungsverwahrung des Beschuldigten konnte die 2. Große Strafkammer deswegen nicht folgen, weil im Hauptverfahren der Eindruck entstand, eine Gefahr für die Allgemeinheit bestehe durch den Mann später nicht. Insofern gerieten die sieben Jahre und neun Monate Haft zu einer der Tat angemessenen Strafe.