Lars Klingbeil: »Wir sind in einer Umbruchphase«

Die Wetterauer Sozialdemokraten haben Lars Klingbeil, einen der beiden Bundesvorsitzenden der SPD, eingeladen, um ein Doppeljubiläum zu feiern. Er spricht über die Bundespolitik und schwört die Genossen auf die Landtagswahl ein.
Mit großem Programm haben die Wetterauer Genossen am Sonntag in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage 160 Jahre Bundes-SPD und 50 Jahre SPD-Unterbezirk gefeiert. Bundesvorsitzender Lars Klingbeil traf wegen vieler Termine und diverser Probleme mit Verkehrsträgern etwas später als geplant ein.
C omedy-Künstler »Bäppi«, auch er Sozialdemokrat, überbrückte das aber perfekt. Die Wetterauer Vorsitzende Lisa Gnadl sowie Adela Yamini und Jean Michel Zapf, die Führungsspitze des Bad Nauheimer Ortsvereins, freuten sich über einen vollen Saal.
»Lieber Lars, schön, dass du da bist.« Mit diesen Worten begrüßte Manfred Scheid-Varisco, Pressesprecher der SPD Wetterau, den 45-Jährigen, dessen Rede der Höhepunkt der Feier war und in der er auf die Bundespolitik einging. Er konstatierte, dass die Menschen in turbulenten Zeiten leben. »Wir sind in einer Umbruchphase«, stellte er fest. Vier Dinge spielten eine Rolle.
Verantwortung für die Jugend
Da sei der geopolitische Umbruch mit neu sortierter Weltkarte. »Das zweite ist der furchtbare Krieg«, erklärte er. Europa sortiere sich dadurch gerade neu. Als größte Aufgabe der jungen politischen Generation bezeichnete er es, den Kontinent stark zu machen. Dritter wichtiger Punkt sei alles, was sich unter dem Begriff der Klimaneutralität subsummiere. »Es fordert uns wahnsinnig viel ab, wenn wir anfangen, das Theoretische konkret zu machen. Aber wir müssen das tun«, sagte er. Das gebietet laut Klingbeil die Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen.
Was ihn viertens sehr beunruhige, sei die »rechtsextreme Partei, die über 20 Prozent liegt«. Er beschrieb seine Sorge, dass die »Feinde der Demokratie« stärker würden. Nie werde es eine ausgestreckte Hand der SPD an Rechtsextreme geben, egal, ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene.
Klingbeil ging auf die Kinderarmut ein. »2,8 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armutsverhältnissen. Es ist nicht akzeptabel, dass ein Kind in einem starken reichen Land in Armut lebt, egal, welchen Hintergrund es hat«, sagte er. Industriepolitik bezeichnete er als sehr wichtig. Sein Ziel: die Abwanderung von Industrie ins Ausland verhindern. Den Fachkräftemangel anzupacken, charakterisierte Klingbeil als sehr bedeutsam: auf inländische Potenziale setzen und Zuwanderung von Fachkräften ermöglichen. Er appellierte, eine Willkommens-Kultur zu leben, um ein starkes Land zu bleiben. Als weitere Ziele nannte der Bundesvorsitzende Bürokratieabbau, mehr Geld für Investitionen und Unterstützung der Wirtschaft, um diese zu halten.
Die hessische Spitzenkandidatin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, erkannte laut Klingbeil früh: »Der wichtigste Kampf im deutschen Innenministerium ist der Kampf gegen rechts.« Als künftige Ministerpräsidentin in Wiesbaden kann Faeser seiner Ansicht nach viel bewirken. »Es braucht einen Politikwechsel in Hessen, mit einer Regierung, die von der Sozialdemokratie geführt wird«, betonte Klingbeil unter Beifall. Anschließend erfüllte er viele Fotowünsche.
Lebhafte Talkrunde
Zu den Programmpunkten gehörte auch eine lebhafte Talkrunde, die Landtagskandidatin Anne Thomas moderierte. Gesprächspartner waren Landratskandidat Rouven Kötter, die Ortenberger Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring und der frühere Landrat Rolf Gnadl. Es ging um persönliche Momente, politische Erfolge und Wünsche. Gnadl schilderte unter anderem, wie seine Tochter Lisa eine der Schulsprecherinnen in Konradsdorf war und um die gymnasiale Oberstufe kämpfte. Als Landrat sei er Adressat des Protests gewesen, auch wenn er das Anliegen unterstützte.
Pfeiffer-Pantring blickte auf die Bildungschancen zurück, die sie als junge Frau dank sozialdemokratischer Politik gehabt habe. Was die SPD versprochen habe, seien keine Worthülsen gewesen, das habe sie überzeugt. Kötter ging auf die aktuelle Wohnungsnot ein. »Das beschäftigt die Menschen - der Markt regelt es nicht. Die Politik muss aktiver werden«, forderte er.
Bei Currywurst, garniert mit stimmungsvoller Musik von Folksängerin Tine Lott aus Büdingen und flotten Songs von »Bäppi«, klang der Doppelgeburtstag schließlich gelungen aus.