Lena Kockert: Glück mit Glas

Sie wollte keinen Bürojob, sondern etwas mit ihren Händen gestalten. Lena Kockert aus Eichelsdorf hat das seltene Handwerk der Glasveredlerin erlernt. Die junge Frau hat einZiel vor Augen.
Der große, helle, Verkaufsraum in Nidda-Eichelsdorf ist voller farbigem Glas. Geometrische Formen mit floralem oder Ornament-Rand, Libellen, Schmetterlinge, Schildkröten, Blüten mit zarten Details, Trinkgläser, Schmuck. Das ist das Reich der 23-jährigen Lena Kockert aus Nidda, die das seltene Handwerk der Glasveredlerin erlernt hat.
Im hinteren Teil des Raumes, der Werkstatt, stehen der Glasofen, der Graviertisch und eine robuste Schleifmaschine. Denn so wichtig Farb- und Formensinn, Kreativität, Inspiration sind - Glasveredlung ist ein Handwerk im wahrsten Sinn des Wortes. Tätigkeiten wie Entwerfen, Mischen von Farben, Schneiden, Brennen, Schleifen, Verbinden, Gravieren sind feste Bestandteile von Lena Kockerts Arbeitsalltag. Sie benutzt Floatglas, wie man es von Fenstern kennt, mundgeblasenes Glas der Sorte »Echt Antik« und gewalztes Kathedralglas.
Erlebnis auf der Berufsmesse Chance
Wie traf sie ihre Berufswahl? »Ich habe schon als Kind gern gezeichnet, gebastelt, getöpfert. Schon damals war mir klar: Ich muss was mit den Händen machen.«
Nach der Schule absolvierte sie ein Jahr an der Höheren Handelsschule und hatte in dieser Zeit ein einschneidendes Erlebnis. Auf der Gießener Berufsmesse »Chance« entdeckte sie den Stand der Glasfachschule Hadamar und war so fasziniert, dass sie anderthalb Stunden dort verbrachte. Zwar begann sie dann eine Lehre als Bürokauffrau, brach sie aber nach acht Wochen mit einer wichtigen Einsicht ab: »Den ganzen Tag im Büro - das ist nichts für mich.« Der Wechsel an die Glasfachschule in die Fachrichtung Glasmalerei und Kunstverglasung war die richtige Entscheidung. Die drei Ausbildungsjahre, in denen sie in Hadamar in einer eigenen Wohnung lebte, haben ihr viel gebracht.
Der Unterricht sei sehr praxisbezogen gewesen, erinnert sie sich. Als faszinierend empfunden habe sie einen mehrwöchigen Aufenthalt in Frankreich. Dort lernte sie zum einen große gotische Kathedralenfenster kennen, Meisterwerke mittelalterlicher Glaskunst. Zum anderen machte sie ein Praktikum in einem Betrieb, wo noch in alter Technik Glas mit langen Rohren geblasen wurde. Lena Kockert berichtet kritisch: »Durch die Ofentemperatur war es dort extrem heiß, das Blasen in das lange Rohr kostet viel Kraft und erfordert viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem flüssigen Glasbrei. Früher war Glasbläserei ein gesundheitsschädlicher Beruf, die Leute sind nicht alt geworden. Ich bin froh, dass heute viel mehr auf Arbeitssicherheit, auf bessere Belüftung geachtet wird, dass wir nicht das Glas aus den Grundmaterialien selbst herstellen müssen, sondern Halbfertigprodukte nutzen können.«
Als Gesellenstück schuf Lena Kockert zwei Glasscheiben im Doppelrahmen, die eine blau getönt, die andere klar, schnitt Meerestiere aus farbigem Glas, bemalte sie mit Details und setzte sie in den Zwischenraum: »Mit dem Lichteinfall bringt das einen 3-D-Effekt, die Tiere scheinen lebendig zu sein und zu schwimmen.«
Nach dem Ausbildungsabschluss fand sich die junge Frau in einer weit günstigeren Position als andere aus ihrer Lerngruppe.: »Vier oder fünf sind zu Glasereifirmen gegangen, fertigen die Glaseinsätze in Fenster und Türen, haben aber kaum künstlerische Gestaltungsmöglichkeit. Andere arbeiten eher im restauratorischen Bereich, in Dombauhütten etwa.« Lena Kockert kommt aus einer traditionellen Handwerkerfamilie. Ihr Großvater, Vater und Bruder sind gelernte Schlosser und führen einen entsprechenden Familienbetrieb. Im Elternhaus konnte sich Lena Kockert Werkstatt und Verkaufsraum einrichten und sich mit dem Firmennamen »Out of Glass« selbstständig machen. Sie fertigt Gebrauchsgegenstände wie Schalen, Teelichthalter, Vasen, Lampen, Dekoratives wie Modeschmuck, Fensterbilder, Weihnachtsbaumschmuck, Glasanhänger. Kunden kommen direkt aus der Region oder wählen aus der Internetpräsentation.
Gern geht Lena Kockert auf Märkte, schätzt den unmittelbaren Kundenkontakt, aber auch die Eindrücke aus anderen Kunsthandwerken. Sie plant weiter und macht online die Ausbildung zur Meisterin im Glasveredlerhandwerk.
Bedauert sie manchmal, dass sie nicht auf die Kunstakademie gegangen ist? »Überhaupt nicht«, sagt sie. »Auch wenn mich Jugendliche nach dem Weg in einen kreativen Beruf fragen würden, würde ich immer den Einstieg über eine handwerkliche Ausbildung empfehlen. Ich bin im Handwerk zu Hause.«