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Verfassungsschutz-Experte informiert in Limeshain über die Neue Rechte

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Von: Oliver Potengowski

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Der Rechtsextremist Attila Hildmann, der sich in die Türkei abgesetzt hat. »Überall, wo Frust und Unmut ist, geht die Neue Rechte hin, um die Menschen abzuholen«, erläutert Sven Daniel vom hessischen Verfassungsschutz beim Vortrag in der Wetterau. ARCHIV © DPA Deutsche Presseagentur

Spätestens mit dem Einzug der NPD in die Parlamente ist deutlich geworden, dass Rechtsextreme nicht immer an Glatzen, Bomberjacken und Springerstiefeln zu erkennen sind.

Auf Initiative der Unabhängigen Bürgerliste Limeshain (UBL) hatte die Gemeindevertretung Limeshain zu einer Informationsveranstaltung über die »Neue Rechte« eingeladen, Untertitel: »Gefahr für unsere Demokratie?«. Sven Daniel, Leiter des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus beim hessischen Verfassungsschutz, erläuterte am Mittwochabend in der Limeshalle in Himbach vor einem großen Publikum, wie Rechtsextremisten in der Mitte der Gesellschaft Einfluss gewinnen wollen.

Daniel sagte, bisher habe er vor allem in Behörden und Verwaltungen über das Thema referiert. Dass er die AfD nahezu nicht namentlich nannte, hatte einen guten Grund. Derzeit wehrt sich die in Teilen rechtsextreme Partei juristisch gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Doch auch wenn Daniel es nicht ausdrücklich aussprach, waren die Verbindungen und die Parallelität der Methoden zwischen AfD und der Neuen Rechten immer wieder deutlich erkennbar.

Den wesentlichen Unterschied zwischen den bisherigen Rechtsextremen und der Neuen Rechten charakterisierte er mit der Zielrichtung. Während die NPD den Kampf um die Straße und die Parlamente geführt habe, kämpfe die Neue Rechte um die Köpfe.

Dieser Unterschied beruhe auch auf dem sozialen Profil. Die Mitglieder und Anführer der Neuen Rechten seien nicht unterprivilegiert und eher abgehängt, sondern gehörten im Gegenteil eher Eliten an. Sie seien oft Akademiker. Martin Sellner, Anführer der Identitären Bewegung in Österreich, hat Philosophie studiert. »Die verpacken Hass und Hetze anders«, betonte Daniel. »Die Neue Rechte versucht die Worte so zu wählen, je nach Zielgruppe, dass sie sich dem Vorwurf des Rechtsextremismus entziehen kann.« Mit ihrem intellektuellen Hintergrund könne sie die Mitte der Gesellschaft besser ansprechen. Darin liege die besondere Gefahr.

Als Götz Kubitschek, Gründer des »Instituts für Staatspolitik«, einem Vernetzungszentrum der Neuen Rechten, in einem Interview gefragt wurde, ob er Rassist sei, habe er das nicht geleugnet. »Nennen sie es Ethnopluralist, das trifft es besser«, habe er entgegnet, zitierte Daniel.

Ziel sei eine »Kulturrevolution von rechts«, die liberale demokratische Grundwerte abschaffe. Dazu gehöre auch die Auflösung der multikulturellen Gesellschaft. »Das hätte fatalste Menschenrechtsverletzungen zur Folge«, betonte Daniel, dass die Neue Rechte auch Deutschen mit Migrationshintergrund die Bürgerrechte aberkennen und sie aus Deutschland deportieren wolle. »Überall, wo Frust und Unmut ist, geht die Neue Rechte hin, um die Menschen abzuholen«, erläuterte Daniel. Dabei verbreite sie auch Verschwörungserzählungen.

Die These vom »Great Reset«, dass Eliten willenlose Mensch-Maschinenwesen erzeugen oder die europäische Bevölkerung dezimieren wollten, um sie durch Zuwanderer zu ersetzen, werde mit antisemitischen Stereotypen kombiniert. Auf diesen sogenannten großen Austausch hätten sich weltweit rechtsextreme Attentäter in den vergangenen Jahren berufen. Es gebe zahlreiche Menschen, die sich auf einen Tag X, an dem es zum Bürgerkrieg komme, vorbereiten. Immer wieder gebe es Menschen, die unter dem Einfluss absurder Thesen Gewalttaten verübten.

Um junge Menschen für die Neue Rechte zu gewinnen, werde Musik genutzt. Statt des Rechtsrocks früherer Jahre würden professionelle Videos mit Rapmusik verbreitet. In einem Beispiel, das Daniel zeigte, wird im Stakkato aufgefordert: »Europa erwache« und »Kämpfe für deine Heimat«. Dass dieser Kampf durchaus physisch zu verstehen ist, zeigen die unterlegten Bilder eines Boxkampfs.

»Durch Verbote und Zensur schaffen wir es nicht«, betonte Daniel auf mehrere Nachfragen, dass nicht allein der Staat und Behörden den Kampf gegen Rechtsextremisten gewinnen könnten. »Es ist eine Frage der Haltung und der Gesellschaft.« Dabei sprach er auch die Situation in der Wetterau an. »Wenn jemand von der NPD zum Ortsvorsteher gewählt wird, dann fehlen mir die Worte.« Der Vorsitzende der Gemeindevertretung Altenstadt, Christian Keim, erklärt, dass das Gremium den damaligen Fehler erkannt habe und eine klare Sprache gegen Rechtsextremismus spreche.

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