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Lob für die Politik in Nidda

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Von: Holger Sauer

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"Eine demokratische Wahl macht aus dem Gewählten noch lange keinen Demokraten." Viele Bürger hatten sich im vergangenen Jahr per Leserbrief oder Kommentar in Sozialen Medien zur damaligen Wahl des NPD-Manns Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher der Waldsiedlung zu Wort gemeldet. Der bis dato bundesweit einmalige Vorgang hatte Wellen geschlagen bis hinein ins politische Berlin.

Der Tabubruch, der wenige Wochen danach durch die Abwahl des Vertreters der rechtsextremen Partei wieder geheilt werden sollte, hatte in weiten Teilen der Gesellschaft blankes Entsetzen ausgelöst. Aber: Es gab auch jene Stimmen, die die Jagsch-Wahl als etwas Normales darzustellen versuchten, schließlich sitze er schon seit Jahren in dem Gremium als gewähltes Ortsbeiratsmitglied. Und Parteipolitik, so ging es verharmlosend weiter, spiele dort ja keine Rolle. Dabei wurde immer wieder der demokratische Prozess seiner Wahl ins Feld geführt - von jenen, die sich wissentlich oder aus bloßer Unkenntnis zu willkommenen Gehilfen und Fürsprechern machten. Jagsch, der Demokrat... ja, ja.*Wie und wo der NPD-Funktionär sonst noch so agiert und mit welchen Leuten er dabei Kontakt hat, darüber berichtete jüngst die Schwälmer Allgemeine (HNA). In Neukirchen strebe der Landesvorsitzende der rechtsextremen Partei Die Rechte, Mike Guldner, das Bürgermeisteramt an, hieß es dort. Und unterstützt werde er dabei von NPD-Mann Jagsch, der das auch gegenüber dem Blatt bestätigt haben soll. "Meine Unterstützung hat private Gründe, da helf' ich doch mal kurz", wird er in der Ausgabe vom Donnerstag vergangener Woche zitiert. Die rechtsextremistische Kleinstpartei Die Rechte war 2019 nach der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch eine Demo in Kassel aufgefallen. Wie dort führende Mitglieder gestrickt sind, lässt der weitere Bericht erahnen. "Tankt Kraft für das neue Kampfjahr 2020" hätten Landesvorstandsmitglieder in einem Facebook-Post geschrieben. Ah ja. Ein "Kampfjahr"... Und ein gewisser Tim Schmerer, der diesem Kreis zugerechnet wird, habe sich gegenüber der HNA einmal so geäußert: "Wenn andere mich als Neonazi bezeichnen wollen, sollen sie das machen." Auf der Homepage der Partei findet sich im Übrigen eine Ankündigung für eine Veranstaltung am 1. Mai in Hamburg. "Der nationale Widerstand marschiert" steht drunter.*Alles in allem eine feine Gesellschaft für den "Ortsvorsteher der Herzen", wie die NPD ihn jüngst selbst bezeichnete. Großer Gott. Wer die Augen immer noch verschließt, sollte sie schnell öffnen. Weil - harmlos ist hier nichts.*Richten wir den Blick auf Erfreulicheres. Da muss der Politik in Nidda und dem Mann an der Spitze des Rathauses Lob gezollt werden. Wären sie es nicht gewesen, und Bürgermeister Hans-Peter Seum an vorderster Stelle, dann wäre Matthias Anke (Harb), Wilhelm Hammen und Jerrik Heß (beide Borsdorf) sowie dem mittlerweile verstorbenen Werner Haas (Geiß-Nidda) bis heute jegliche öffentliche Anerkennung versagt geblieben. Mit der extra geschaffenen Auszeichnung einer Ehrenplakette (die gab es in Nidda so noch nicht) ist ihr Verhalten gewürdigt worden, das mit dazu geführt hatte, den Mörder von Johanna Bohnacker aus Bobenhausen zu fassen. Warum Justiz und Ermittlungsbehörden aus eigenen Stücken heraus bis dato nicht mal eine Belobigung zustande gebracht haben, wirkt befremdlich. Es gibt nicht selten Pressemitteilungen, da werden beispielsweise Senioren in höchsten Tönen gelobt, wenn sie Trickbetrügern, die alle Nase lang irgendwo auftauchen, gerade mal nicht auf den Leim gegangen sind. Alles schön und gut und richtig. Aber hier? Die vier Männer mit einer gehörigen Portion Zivilcourage waren damals sogar von der Polizei gebeten worden, ihren verdächtigen Beobachtungen selbst nachzugehen. Andere hätten es vielleicht nicht getan. Sie taten es. Umsichtig und letztlich mit Erfolg. Mündige und verantwortungsbewusste Bürger, wie man sie sich doch eigentlich wünscht - oder?

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